Mit diesem Interview wollen wir euch unseren Neuzugang im Geile Weine-Regal vorstellen:
Martina Bernhard vom Weingut Bernhard aus Wolfsheim in Rheinhessen.
GW: Wie bist du überhaupt zum Weinbau gekommen und warum hast du dich entschieden in den elterlichen Betrieb einzusteigen?
Martina: Ich wollte schon mein ganzes Leben Winzerin werden, mit der Natur zusammen arbeiten und diese einzigartige Möglichkeit nutzen, Heimat schmeckbar zu machen. Da unser Weingut in Wolfsheim auf 250 Metern Höhe liegt und sich genau in der Grenzregion zwischen Nahe und Rheinhessen befindet, gab es für mich nie spannendere und facettenreichere Böden, Wetterbedingungen und Weinberge als hier. Außerdem möchte ich der Welt zeigen, was für ein Schatz hier zwischen dem Selztal und Bad Kreuznach schlummert.
GW: Winzerin sein ist also deine Leidenschaft. Was ist für dich denn die schönste Arbeit im Weinbau?
Martina: Die Abwechslung macht´s! Es ist dieser Mix zwischen dem Leben und Arbeiten mit der Natur, der handwerklichen Arbeit im Weinkeller und nicht zuletzt dieser tolle Moment, wenn man den Menschen ein Lächeln ins Gesicht zaubert, wenn Sie ein leckeres Glas Wein vor sich haben. Aber wenn ich mich entscheiden müsste, wäre es die Arbeit mit der Natur draußen im Weinberg. Ich liebe es zu sehen wie sich alles entwickelt und entfaltet, das Wetter zu beobachten und die Herausforderungen die jeder Jahrgang mit sich bringt zu meistern.
Martina und ihr Vater Jörg im Weinkeller.
GW: Was ist dein Lieblingsessen und welchen Wein würdest du dazu trinken?
Ich liebe die italienische Küche! Am allerliebsten esse ich Nudeln mit einer frischen, hausgemachten Spinatsoße. Dazu passt unser Wolfsheimer Silvaner perfekt.
GW: Klingt lecker! Welche Weinregion (außer Rheinhessen natürlich ;)) findest du besonders spannend und wieso?
Martina: Ich liebe Südtirol! Ich liebe die Lebensart der Menschen. Sie sind hartarbeitende, fleißige Leute, feiern aber die schönen Dinge des Lebens und haben eine einzigartige Herzlichkeit. Außerdem bin ich ein totaler Gewürztraminer-Fan. Und zu guter Letzt kommt mein großes Vorbild aus Tramin: Elena Walch. Eine extreme Vorreiterin, wenn es darum geht, den einzigartigen Geschmack eines Weinbergs in die Flasche zu packen!
GW: Letzte Woche haben wir den alljährlichen Weltfrauentag gefeiert. Ist die Weinbranche immer noch eine Männerdomäne oder ändert sich vielleicht schon etwas?
Martina: Ich würde heute gar nicht mehr von einer Männerdomäne in der Weinbranche sprechen. Ich habe mich schon in der Ausbildung gleichberechtigt mit den Jungs gefühlt. Klar waren wir nur 4 Mädchen und 10 Jungs, aber Traktor fahren konnten wir alle gleich gut 😉 Auch jetzt habe ich nie eine Benachteiligung erlebt, nur weil ich eine Frau bin. In der Generation meiner Eltern gab es tolle, starke Frauen, die sich in der Männerwelt durchkämpfen mussten. So aber den Weg für Jungwinzerinnen wie mich geebnet haben. Es ist ja heute auch keine Seltenheit mehr, das ganze Weingüter nur von Frauen geleitet werden und selbst riesige, internationale Weingüter KellermeisterINNEN und AußenbetriebsleiterINNEN haben.
GW: Das stimmt! Auch wir bei GW wissen unsere Kolleginnen sehr zu schätzen. Danke für das Interview! Wenn ihr die Weine von Martina mal probieren wollt, müsst ihr HIER klicken!
Iris Führ ist Oberlandwirtschaftsrätin und erzählt uns von der naturwissenschaftlichen Seite des Weinbaus. Zum Glück hat sie sich damals nicht abschrecken lassen, als man ihr sagte, wenn sie etwas Richtung Weinbau machen wolle, sollte sie doch am besten einen Winzer heiraten. Sie ist die Frau, mit dem akademischsten Hintergrund in unserer Feinherber Feminismus-Reihe und trotzdem ist der Wein für sie nicht nur ein wissenschaftliches Forschungsfeld, sondern ein Schlüssel zum Leben.
Wer bist du?
Ich bin Iris Führ. Ich bin gebürtig aus Mandel und ich arbeite in Bad Kreuznach am Dienstleistungszentrum ländlicher Raum. Ich bin Oberlandwirtschaftsrätin und wohne mit meiner Familie wieder in meinem Heimatort, wo ich eigentlich herkomme. Ich stamme aus einem Weingut und bin nach einer längeren Zeit in Neustadt, in der Pfalz wieder in meine alte Heimat gekommen.
Wie war das früher, als du die Entscheidung getroffen hast, dass du einen Beruf im Weinbau finden möchtest?
Ich bin in einem Weingut groß geworden. Als älteste Tochter war eigentlich klar, dass der jüngere Bruder den Betrieb übernimmt und dass meine Schwester und ich uns einen Beruf suchen. Nach dem Abitur war dann die Frage, was tun. Und ich wollte gerne in Richtung Naturwissenschaft und Weinbau gehen. Habe dann aber auch mal zusammen mit meinem Vater nachgefragt an der Weinbauschule damals und bekam doch tatsächlich die Antwort: „Am besten wär’s, wenn das Mädsche e Winzer heirate würd.“
Das habe ich aber nicht gemacht, sondern habe dann meinen Weg gesucht. Habe studiert an drei verschiedenen Hochschulen, in Bonn, in Hohenheim und in Geisenheim.
Welche ist deine liebste Rebsorte?
Meine liebste Rebsorte ist Riesling. Ich bin aufgewachsen in der Zeit, als der Müller-Thurgau ganz groß war. Das war auch so die Lieblingsrebsorte meines Vaters, aber ich habe im Laufe des Studiums – ich war ja im Rheingau und auch in der Pfalz – den Riesling schätzen gelernt. Und finde diese alte, traditionelle, deutsche Rebsorte immer noch sehr spannend. Und auch die neuen Weine, die daraus entstehen. Wenn ich mir Wein bestelle, frage ich immer erstmal nach einem Riesling, halbtrocken oder trocken.
Wenn du deinen liebsten Wein mit drei Worten beschreiben würdest, welche wären das?
Stark, edel und rein.
Du bist in der Lehre tätig. Welche sind deine Fachgebiete?
Meine Fachgebiete liegen im Bereich des Weinbaus, also nicht im Bereich der Kellerwirtschaft und des Ausbaus, sondern in der Weinproduktion. Ich interessiere mich für das, was im Weinberg passiert und ich berate auch ganz konkret in Richtung Pflanzenschutz, also Schädlinge, Krankheiten und deren Bekämpfung in Richtung umweltschonende, integrierte Anbauweise.
Wie sieht da dein Arbeitsalltag aus?
Es gibt keinen ganz normalen Tag, denn jeder Tag hat seine eigenen Anforderungen. Wenn es an den Unterricht geht, geht es um die Vorbereitung. Da versuche ich wirklich aktuelle Themen mit reinzubringen. Dann bringe ich Beispiele aus dem Weinberg mit. Die hole ich dann gerne in der Natur. Sammle sie vorher. Da versuche ich einen aktuellen Bezug herzustellen.
Wenn es an die Beratung geht, dann sind es häufiger Vorträge oder Seminare, wo ein bestimmtes Thema zu bearbeiten ist. Und da muss man sich dann ganz gezielt vorbereiten und auf die Gruppe einstellen. Das Spannende dabei ist, dass man sehr viel mit Leuten zu tun hat und sich immer wieder auf die Bezugsgruppe einstellt. Auf die Schüler, auf die einzelnen Persönlichkeiten, die ja ihren Weg gehen wollen. Das macht mir im Moment am meisten Spaß, weil ich sehe, wie jeder junge Mensch in seinen Beruf reingeht. Und da ist der Wein wirklich ein ganz spannendes Thema, denn der Beruf des Winzers ist unglaublich vielseitig. Und das färbt auch auf meinen Beruf ab. Und das macht mir Spaß!
Gibt es Vorurteile gegenüber weiblichen Lehrkräften? Wirst du beispielsweise in deiner Arbeit unterschätzt, weil du eine Frau bist?
Das ist mir in der Anfangszeit häufig passiert. Ich habe ja schon 1984 angefangen, das ist eine Weile her. Und damals war es noch nicht so ganz üblich, dass junge Frauen in dem Beruf tätig waren. Und da musste ich mich ganz gewaltig durchsetzen. Habe ich den Eindruck. Das hat mich auch viel Kraft gekostet. Intensive Vorbereitung auf den Unterricht und auch auf die Beratung vor allen Dingen. Das ist heute ganz anders. Also heute sehe ich keine Vorurteile mehr, im Gegenteil!
Gerade gestern Abend habe ich einen Seminarvortrag gehalten vor hauptsächlich männlichem Publikum. Und da merke ich überhaupt keine Probleme oder Vorurteile mehr.
Inwieweit wären die Anforderungen an dich und deine Arbeit andere, wärst du ein Mann?
Ich denke, das hat mit Frau und Mann wenig zu tun, sondern mit der Persönlichkeit an sich. Ich muss schon zugeben, dass ich eher der introvertierte Typ bin und nicht so unbedingt auf andere zugehe. Führungspersönlichkeiten können Frauen sein, es können Männer sein. Ich bin lieber jemand, der in der zweiten Reihe arbeitet und anderen zuarbeitet, auch in der Forschung. Zusammenarbeiten mit Kollegen aus der Forschung ist auch immer sehr spannend. Ich stehe nicht so gerne in erster Reihe, das gebe ich ehrlich zu. Hat aber mit Frau oder Mann eigentlich wenig zu tun. Sondern mit der Persönlichkeit.
Wo sind wir hier gerade, während wir das Interview führen?
Wir stehen jetzt oberhalb von Mandel und schauen hier auf das Dorf, auf die evangelische Kirche. Ich mache oft Rundgänge durch die Gemarkung, um zu schauen, wie der Entwicklungsstand der Reben ist, wie weit Schädlinge und Krankheiten sind, was es hier zu tun gibt, was die Winzer arbeiten momentan. Und dann mache ich gerne Rast am Wingertshäuschen, oberhalb von Mandel. Und habe dann diesen schönen Blick über meine Heimat, über das ganze Land bis zum Lemberg. Hier mache ich oft Pause und denke dann darüber nach, was es zu tun gilt.
Was machst du, wenn du draußen durch die Weinberge gehst?
Wenn ich durch die Weinberge gehe, schaue ich mir den Entwicklungsstand der Reben an und mache dann Vergleiche zu anderen Standorten im Gebiet. Ich schaue mir an, ob da Krankheiten oder Schädlinge vorkommen. Ich sehe zum Beispiel den Entwicklungsstand der Pilzkrankheiten. Ich mache ein Monitoring. Ich kontrolliere den Traubenwickler. Ich habe Pheromonfallen im Gebiet hängen. Ich kontrolliere die Kirschessigfliege. Und stelle diese Daten dann ins Internet ein. Die stehen dann der Allgemeinheit zur Verfügung.
Was bedeutet Wein für dich?
Wein und Weinbau ist für mich ein wichtiger Schlüssel für das Leben. Denn im Leben geht es darum, dass man das Leben lebt und das Leben kennenlernt. Und der Wein ist ein Schlüssel dazu. Alle Bereiche des Lebens kann man sich durch den Wein erschließen. Es ist ein sehr spannender Beruf, der einem Einblicke gibt in verschiedene Berufsfelder gibt und all die Menschen, die man dabei kennenlernt. Sodass wirklich gilt: in vite vita. Oder ein anderer Spruch, der mir wichtig ist: „Ich bin der Weinstock, ihr seid die Reben.“ Aus der Bibel. Da ist wirklich was dran, weil der Wein einem das Leben erschließt, alle Bereiche.
Iris, danke für die spannenden Einblicke in eine der naturwissenschaftlichen Seiten des Weins! Falls ihr Weine aus Mandel und aus den Weinbergen rund um das Wingertshäuschen probieren möchtet: Iris ist die Schwester von Marcus und Tante von Carl Baumberger. Die Weine vom Weingut Baumberger findet ihr HIER.
Ann-Kathrin Müller hat gerade geheiratet und heißt jetzt Krebs. Jetzt stimmt zwar der Titel nicht mehr, aber welch Grund zur Freude! Ann-Kathrin Krebs hat eines Tages festgestellt, dass sie nicht in dem Bereich arbeitet, der sie am meisten fasziniert. Und dann wurde gehandelt. Jetzt ist es ihr Job, vom Wein zu schwärmen. Und ihr dabei zuzuhören, ist eine wahre Freude. So klingt es, wenn eine Frau genau den Beruf gefunden hat, der sie erfüllt. Über Schießpulver, das Arbeiten mit Menschen, die unter Alkoholeinfluss stehen, den weniger philosophischen Charakter von Korn und die romantischen Geschichten, die das Leben schreibt.
Wer bist du?
Mein Name ist Ann-Kathrin Krebs, ich bin mittlerweile 34 Jahre alt. Komme ursprünglich aus einem Dorf bei Stade in Niedersachen und wohne jetzt in Freinsheim.
Wie ist deine Verbindung zum Wein?
Ganz intensiv. Ich arbeite im Weingut meines Partners. Bin da völlig involviert, habe jeden Tag damit zu tun. Und liebe es jeden Tag, den Umgang mit Wein.
Meine Verbindung ist Emotionalität. Weil ich glaube, man kann über Wein ganz viel von den Menschen erfahren und aus ihnen rausbekommen und auf ganz anderer Ebene über’s Leben philosophieren. Das macht irgendwie nur der Wein. Das habe ich in Norddeutschland bei Korn und Bier nicht so erlebt.
Welche Rebsorte ist deine liebste?
Meine Lieblingsrebsorte, das hat sich im Laufe der Zeit etwas gewandelt, weil ich mit ganz schlimmem Spätburgunder groß geworden bin und habe dann Gott sei dank irgendwann gelernt, dass es ganz, ganz andere, ganz tolle Stile gibt. Und ich bin da absolut im Burgund. Das ist wirklich was ganz tolles. Und auch die deutschen Spätburgunder sind inzwischen traumhaft. Spätburgunder könnte ich immer trinken. Ganz, ganz lecker und toll!
Mit welchen drei Wörtern würdest du deinen Lieblingswein beschreiben?
Mein Lieblingswein schmeckt nach Schießpulver, stinkt und ist ein Spätburgunder.
Du bist nicht in die Weinwelt hineingeboren. Wie kommt es, dass du jetzt Teil von ihr bist?
Es ist ja noch erstaunlicher aufgrund der Tatsache, dass ich Norddeutsche bin. Das liegt ja dann auch nicht so nahe. Aber ich hatte schon sehr früh Weinkontakte – familienbedingt. Meine Großmutter ist aus dem Schwäbischen, aus einem Weinort, Gundelsheim am Neckar. Da waren wir oft mit der Familie und haben Spaziergänge durch die Weinberge gemacht – das war wundervoll! Und dann hat es mich irgendwann gepackt. Ich habe viel gelesen, Messen, Seminare besucht. Also habe mich hobbymäßig sehr dem Wein verschrieben. Und habe dann irgendwann Schritt für Schritt Passion zur Profession gemacht. Und bin jetzt heute im Weingut Krebs. Das hätte nie jemand für möglich gehalten.
Und gab es einen bestimmten Moment, in dem du dachtest: „Okay, der Wein und ich, wir gehören einfach zusammen!“?
Der Moment, in dem ich wusste, dass der Wein und ich zusammengehören, war 2012 auf einer Party in Braunschweig. Ich stehe in der Küche mit ein paar Leuten zusammen und es geht um das Thema Wein und irgendwann halte ich einen Monolog und alle hören ganz angetan zu. Und dann sagt einer zu mir: „Glaubst du eigentlich, dass du den richtigen Job hast? Dass du in der richtigen Branche bist?“. Gut, damals war ich Trainerin für Volkswagen-IT-Software. Damals wusste ich schon, dass es nicht für ewig sein wird. Das war aber dann der Anlass, zu sagen: Vielleicht doch die Weinbranche und dann ging das so langsam los.
Wie ist dein weiterer Weg in der Weinbranche abgelaufen?
Ich habe mich dann als Quereinsteigerin absolut blauäugig, initiativ beim Weinkeller der BASF beworben und die waren dann so bekloppt und haben mich echt genommen. Ohne dass ich ja irgendwas an Papieren hatte. Kein Geisenheim, keine Winzerausbildung, keine Gastronomie. Und das waren wirklich zwei tolle Jahre, in denen man viel gelernt hat. Offensichtlich konnte ich anderes einbringen, was die gut fanden. Und dann ging es immer weiter. In der Zeit habe ich dann auch Jürgen kennengelernt und dann war irgendwann klar, die brauchen Unterstützung im Weingut und jetzt bin ich seit knapp über einem Jahr im Weingut Krebs.
Wie sieht ein klassischer Tag als Mitglied des Team Krebs aus?
Ein klassischer Tag im Weingut Krebs, den gibt es gar nicht. Jeder Tag ist anders. Das ergibt sich aufgrund der Aufgaben, die anstehen. Im besten Fall fange ich mit E-Mails an und gucke, was irgendwie anliegt, arbeite Bestellungen ab und beantworte Fragen, mache Speditionsaufträge. Dann ist ab 10 Uhr Kundenverkehr. Ich nehme Telefonate an, mache den Weinverkauf. Dann fällt den Männern plötzlich ein, sie brauchen etwas für den Kellereibedarf und man fährt schnell los oder fährt Wein aus. Es wiederholt sich alles immer wieder, aber man weiß nie, wann. Es ist jeden Tag anders und deshalb auch so schön abwechslungsreich.
Hast du Erfahrungen gemacht, die nur Frauen in deiner Position machen würden?
In meiner Position habe ich keine Erfahrungen gemacht, die nur Frauen machen würden, weil ich vielleicht nicht den „klassischen Männerberuf“ in der Weinbranche ausübe. Wäre ich jetzt im Keller verantwortlich oder würde als Mädel den Außenbetrieb bestreiten, dann wäre das vielleicht etwas anderes. Aber ich mache Büro, Verkauf – da ist mir sowas noch nicht entgegen gekommen. Da erwartet auch keiner handwerkliches Geschick. Da habe ich jetzt keine Erfahrungen gemacht.
Ich meine, das ist ja eine Branche, in der Menschen auch unter Umständen unter Alkoholeinfluss stehen, je nach Festivität , trallala. Dass man da mal irgendwie von der Seite abgebaggert wird, ich glaube, das ist normal. Das passiert aber auch einem Mann in der Probierstube beim Weinverkauf. Deswegen kein klassisches Frauenthema.
Und inwieweit wären die Erwartungen an dich und deine Aufgaben andere, wärst du ein Mann?
Dann sollte ich im besten Fall wahrscheinlich ganz toll Gabelstapler und Trecker fahren können. Kann ich eher semigut, war aber auch kein Anforderungskriterium. Ansonsten bin ich schon Fan davon, dass man sich ein bisschen von den klassischen Männer- und Frauenaufgaben verabschiedet. Das einzige, wo wir im Zweifel benachteiligt sind, ist vielleicht die Anatomie, dass man da unter Umständen vielleicht noch ein bisschen unterlegen ist, wenn es auf Kraft geht. Jetzt ist die landwirtschaftliche Branche natürlich immer noch ein bisschen so geprägt, dass den Männern schon etwas Handwerkliches zugetraut wird, es wird erwartet oder sehr stark erwünscht. Bei den Frauen ist man dann vielleicht eher überrascht und dann fällt dann hoffentlich eher ein Lob als alles andere.
Haben sich deine Erwartungen als Quereinsteigerin erfüllt?
Ich glaube, dadurch dass ich schon immer sehr nah am Menschen war. Also zu dem Zeitpunkt, als ich das ganze hobbymäßig betrieben habe und ich versucht habe, mich mit den Menschen zu unterhalten, glaube ich, dass meine Erwartungen an die Branche sehr realistisch waren. Es gab keinen Tag, an dem ich dachte: „Mein Gott, das habe ich mir ganz anders vorgestellt“. Oder „Warum hast du das eigentlich gemacht?“ – also das in Frage, in Zweifel gestellt. Das überhaupt nicht. Deshalb bin ich jeden Tag wieder froh, dass ich den Schritt gemacht habe. Weil ich auch eine Komfortzone wirklich verlassen habe mit Volkswagen. Das auf der einen Seite, wo viele gesagt haben, das sei aber mutig, das würden sie jetzt nicht machen. Ich hab’s aber gemacht: Ich habe Hobby zum Beruf gemacht. Und einen Traumberuf erwischt. Also alles super.
Würdest du sagen, du fühlst dich voll und ganz in der Weinwelt angekommen?
Ja, das macht vor allem der Anschluss über die Familie. Ich könnte jetzt auch als Angestellte in einer Vinothek arbeiten. Aber das wäre etwas ganz anderes. Das Herz hängt im besten Fall noch ein bisschen mehr daran. Ich bin da wirklich motiviert und will ja auch eine tolle Außenwirkung und mir macht das wirklich Spaß, die Leute zum Wein zu bringen und sie zu begeistern. Wirklich etwas für das Familienweingut zu geben.
Wohin führst du uns heute?
Wir fahren in die Lage Herxheimer Himmelreich. Dort wachsen Riesling und Spätburgunder. Die Lage ist sehr kalksteingeprägt. Herxheim ist ein Nachbarort von Freinsheim [Anmerkung Geile Weine: Hier sitzt das Weingut Krebs]. Die Lage ist mit einem sehr, sehr schönen Blick über die Rheinebene verbunden. Man kann auf Freinsheim gucken, man kann bei guter Sicht bis zum Odenwald schauen. Meine Verbindung zu der Lage spiegelt so ein bisschen das Kennenlernen mit Jürgen wieder. Als wir dann viel hin und her geschrieben haben, ging es immer wieder um die Lage Himmelreich. Kriegt das Weingut Krebs etwas von der Lage oder nicht? Und er war sehr motiviert und ich habe immer mitgefiebert. Und dann wurde es was und die erste Flasche, die vom Band lief, die gebührte mir. Und ganz witzig ist auch, dass es schon einmal eine Lage Himmelreich in meinem Leben gab, mit der ich ganz früh in Kontakt kam. Das ist das Gundelsheimer Himmelreich. Also dass ich irgendwann mal zwei so lieb gewinnen würde, hätte ich auch nicht gedacht.
Vielen Dank, dass wir dich in Freinsheim besuchen durften, Ann-Kathrin. HIER könnt ihr die Weine vom Weingut Krebs probieren.
Für Juliane Eller war Winzerin nicht schon immer der absolute Traumberuf. Die Entscheidung, dass sie in den Familienbetrieb in Alsheim einsteigen und sich dort verwirklichen möchte, kam erst nach einem Praktikum, in dem sie festgestellt hat, dass Wein-Machen auch anders geht. Sie weiß, was sie für ihre Juwel-Weine will und was dabei rauskommt, gefällt uns sehr. Wir haben Juliane in ihrem Weingut besucht und ihr einige Fragen zum jungen Winzerinnen-Dasein gestellt.
Wer bist du?
Hey, ich bin Juliane. Ich bin 27 Jahre alt und Winzerin im Weingut meiner Eltern, das Weingut Eller in Alsheim. Das ist jetzt schon mein fünfter Jahrgang. Ich bin vor fünf Jahren zuhause eingestiegen nach drei Jahren Bachelor-Studium in Geisenheim. Ich habe meine eigene Linie Juwel-Weine gegründet. Und jetzt geht’s los.
Was ist deine Verbindung zum Wein?
Ich bin hier aufgewachsen. Unser Weingut gibt es hier in Alsheim seit 25 Jahren. Und klar, wenn man damit aufwächst, ist man einfach super verwurzelt. So war das früher jeden Samstag: alle durften ins Schwimmbad und wir mussten schön raus mit in den Wingert. So war das Weingut für mich mit viel Arbeit verbunden. Und deshalb habe ich mich auch am Anfang gefragt: „Ist das wirklich das Richtige? Will ich das auch so machen?“ Ich wusste, ich will etwas Geregeltes. Und dann habe ich aber ein Praktikum gemacht und die haben mich dann mit dem Weinbauvirus infiziert. Und ich habe das Ganze von einer ganz anderen Seite kennengelernt.
Ich hatte großes Glück, dass meine Eltern mitziehen. Da kommt das 23-jährige Töchterchen und will von heute auf morgen alles umkrempeln. Und das ist ja auch ein wahnsinniges Vertrauen, das einem da entgegen gebracht werden muss. Und das haben sie gemacht. Sie stehen zu 500% hinter mir, die ganze Family. Und das macht super viel Spaß, weil man einfach sieht, was so passiert. Man sieht, was du machst und wofür du arbeitest.
Welche Rebsorte ist deine liebste?
Natürlich hier in Rheinhessen: der Riesling. Das ist die Rebsorte, mit der ich als erstes zu tun hatte, wo ich direkt meine Freude gefunden habe. Außerdem steht die Rebsorte so sehr für Deutschland. Was ich aber auch sagen muss: Weißburgunder. Wir haben super geile Parzellen hier in Alsheim, mega Potential, was Klima und Böden angeht. Und deshalb kann man da so viel spielen. Wir haben ganz tolle alte Stöcke. Und deshalb auch definitiv der Weißburgunder.
Wenn du deinen absoluten Lieblingswein mit drei Kriterien beschreiben müsstest, welche wären das?
Ich brauche vier: elegant, Zug und Druck und enorm viel Trinkfluss.
Wo führst du uns heute hin?
Einer meiner Lieblingsorte ist der Elisabethen-See in Eich. Das ist mitten in der Natur. Da ist es einfach super ruhig. Du setzt dich einfach auf den Steg, schenkst dir ein gut gekühltes Glas Riesling oder auch Weißburgunder ein. Guckst einfach so ins Weite und entspannst und lässt die Seele baumeln.
Juliane, vier Jahre ist es schon her, dass du deine ersten eigenen Weine abgefüllt hast. Für all diejenigen, die deine Geschichte noch nicht kennen: Wie kamst du zu der Entscheidung, zurück in den Familienbetrieb zu gehen und eine eigene Weinlinie zu produzieren?
Vor vier Jahren bin ich zuhause eingestiegen. Ich bin gerade selbst überrascht, wie die Zeit rennt, völlig abgefahren! Da habe ich meine Weinlinie Juwel-Weine gegründet. Das ist eine Kombination aus meinem Vornamen Juliane, dem Nachnamen Eller und dem „W“ für Weine, Juliane Eller Weine. Dafür haben wir wirklich alles umstrukturiert und umgekrempelt. Sind noch mitten dabei. Und haben alles auf Handlese umgestellt. Von 25 Rebsorten runter auf sechs. Mich auf das fokussiert, was Sinn macht. Was ich gerne trinke, was ich gerne produzieren möchte. Und das macht Spaß!
War es schwierig, sich als junge Winzerin zu positionieren?
Klar war es manchmal schwierig, sich gerade als junge Frau zu positionieren. Ich meine, ich war 23 und bin in das Berufsleben eingestiegen. Und wenn du dann irgendwo mit Kunden am Tisch sitzt, das könnten alles meine Väter sein, Mitte 50, Anfang 60, die sich denken: „Was macht dieses kleine blonde Mädchen hier?“. Und natürlich war das am Anfang schon so, dass du super selbstbewusst auftreten musst. Da ich aber wusste, was wir uns zuhause für eine Arbeit machen und ich wusste, dass meine Weine auch einfach für sich sprechen, bin ich glaube ich sehr selbstbewusst aufgetreten und habe das nach außen transportiert, was meine Weine auch, ohne zu beschreiben, aussagen.
Wurden dir von Außenstehenden Vorurteile entgegengebracht? Gab es Menschen, die dir den Job und deine Entscheidung, in den Betrieb einzusteigen, nicht zugetraut haben?
Klar, man kennt ja noch das Bild von früher. Die Generation meines Vaters hat immer gesagt: „Zwei Mädels, wer macht da den Betrieb weiter?“. Und dass die jüngste dann eingestiegen ist, das gab es früher nicht. Von wegen: „Wie will ein Mädel ganz alleine den Betrieb schmeißen?“. Weil das eben ein Allround-Job ist. Du musst mit Maschinen klarkommen. Du musst Traktor fahren. Das ist rein körperlich, auch im Keller, ein super anstrengender Job. Und natürlich haben mich die ein oder anderen belächelt, so „als ob das kleine Mädel jetzt hier loslegen will“. Und Papa hat auch am Anfang immer gesagt: „Ruf mich doch. Ich helf’ dir!“. Aber nein, da muss man sich seine Tipps und Tricks aneignen. Und dann funktioniert das auch. Das ist am Anfang schon sehr harte Arbeit, aber da gewöhnt man sich recht schnell dran. Da das, was du machst super motivierend ist, fällt dir das am Ende gar nicht mehr auf.
Gab es da die Angst von deinen Eltern, dass niemand den Betrieb weiterführen könnte?
Das wurde bei uns nie thematisiert. Also da haben meine Eltern auch nie gesagt, dass eine von uns beiden den Betrieb weiterführen müsste. Und das ist auch enorm wichtig. Wenn du in den Beruf gedrängt wirst, wenn da Druck aufgebaut wird, dann kannst du das nicht machen. Du lebst den Job und dafür brauchst du auch die nötige Energie. Das kannst du nur machen, wenn du das auch wirklich willst.
Meine Schwester und ich, wir waren beide Anfang 20 und es ist nie der Satz gefallen von meinen Eltern: „Wie sieht’s denn eigentlich aus? Wir gehen jetzt ja auch auf einen gewisses Alter zu. Was machen wir denn jetzt hier mit dem Weingut? Wir haben uns das aufgebaut“ – nie! Das sage ich auch heute noch zu meinen Eltern, dass das super viel wert war, dass sie uns da nie unter Druck gesetzt haben. Sie haben es einfach laufen lassen. Es fügt sich am Ende schon alles so, wie es sein soll. Und das sehen wir jetzt auch.
Wann kam die Entscheidung, dass du den Betrieb weiterführen möchtest?
Winzerin werden – das war jetzt nicht schon immer mein absoluter Berufswunsch. Die Entscheidung, dass ich wirklich in den Betrieb einsteigen will und dass ich mich selbst verwirklichen will, die war nicht schon immer da. Also das ist wirklich erst mit dem Praktikum gekommen, als ich dieses Weinbusiness von einer ganz anderen Seite kennengelernt habe.
Und dann habe ich gemerkt, dass es auch für Frauen möglich ist von der körperlichen Arbeit her. Dass die ganze Umsetzung einfach machbar ist. Dann habe ich irgendwann gedacht: „Ja geil, es geht ja auch anders. Machen wir! Und hoffentlich zieht die ganze Family mit und wir können es umsetzen.“.
Etwas eigenes mit den Händen zu erschaffen und am Ende in die Flasche füllen, jemandem eingießen und die Leute sagen: „Hä, macht irgendwie Spaß, was du da machst!“ und das war so ein Klick der irgendwann kam.
Gibt es Unterschiede in der Art, wie Männer und Frauen Wein machen? Im An- und Ausbau?
Also ich glaube, es gibt definitiv Unterschiede zwischen der Weinbereitung und des -ausbaus zwischen Männern und Frauen. Es ist definitiv so, dass Frauen sensorisch sehr sehr sensibel sind. Und ich glaube einfach, dass wir so mit ganz ganz viel Feingefühl und Fingerspitzengefühl an die ganze Sache rangehen. Ich kann jetzt auch nur von mir sprechen. Ich bin super penibel, was die Weinbergsarbeit angeht. Und dann natürlich auch während der Ernte, wo aber auch alle um mich rum die Krise kriegen. Weil ich so sehr schaue, dass alles läuft. Und natürlich auch beim Cuvéetieren am Ende. Wir bauen alles in einzelnen Tanks aus und am Ende entscheide ich 500.000 mal: mache ich das jetzt da rein oder nicht? Nehme ich die Partie oder nicht? Und ich glaube, dass die Frauen da super sensibel sind.
Gibt es Clichées in der Weinwelt, was die Aufgabenverteilung zwischen Männern und Frauen angeht?
Gibt es mit Sicherheit, dass die Frauen so für die Vermarktung und Büro & Co da sind. Und draußen die Weinbergsarbeit und den Keller – das machen die Männer. Und ich glaube, dieses Umdenken, das findet statt. Zumindest, was ich so mitbekommen habe. Das hat so vor fünf Jahren angefangen, dass diese Offenheit gegenüber Frauen da ist. Ich glaube, da ist ein extremer Wandel da und das ist auch gut so.
Wie sind deine Pläne für die Zukunft?
Meine Pläne für die Zukunft sind eigentlich völlig „feel free“. Wenn mir irgendwas in den Kopf kommt und ich habe da Bock drauf, dann setzen wir das irgendwie um. Aber es ist schon so mein Grundmotto: Weniger ist mehr. Ich will mich da jetzt nicht verzetteln. Sondern ich mache das, worauf ich Bock habe, was irgendwie passt. Und woran ich mega viel Spaß habe. Deshalb gibt es keine krassen Pläne. Ich lass es einfach laufen. Die nötige Entspanntheit muss dabei sein. Dann ist alles gut.
Hast du Erfahrungen gemacht, die nur Frauen in deiner Position machen würden?
Da habe ich wirklich noch nie Erfahrungen machen müssen, bei denen ich dachte: „Okay, krass. Das hast du jetzt wirklich nur einstecken müssen als Frau!“. Ist mir glücklicherweise noch nie passiert.
Was sind für dich die wichtigsten Punkte bei der Weinproduktion?
Ich habe schon einen genauen Plan im Kopf, was für Weine ich produzieren möchte. Wo ich am Ende hin will, wie der Wein in der Flasche schmecken soll. Und der Grundstein dafür liegt draußen im Weinberg. Und das war am Anfang auch so witzig. Meine Eltern haben gedacht: „Was macht die denn da?“. So penibel, diese extra Arbeiten. Wieder zurück zum Handwerk. Keine Maschine kann das machen, was du mit deinen Händen machst. Das ist ein riesiger Unterschied. Auch die Arbeit im Sommer, die ganzen Entblätterungen. Dass du deinen Weinberg draußen ins Gleichgewicht bringst.
Und dann natürlich das Hauptding: die Ernte. Da bin ich immer so anstrengend. Weil wir Weinberge verschieden lesen. Wir lesen erst den oberen Teil, dann den unteren Teil. Bauen das auch unterschiedlich aus, weil ich das Potential bis aufs Letzte rausholen will. Und da hat mein Papa auch gesagt, dass machen wir jetzt doch nicht wirklich. Und ich habe aber gesagt: „Doch, das machen wir!“. Da braucht man Konsequenz und Selbstbewusstsein, Entscheidungen zu treffen. Du triffst jeden Tag Entscheidungen und du hast super viele Leute um dich rumrennen und musst einfach sagen: „Nein, während der Ernte bin ich diejenige, die ansagt: Wir machen das so und so und so.“.
Und dann geht es weiter mit der Weinbereitung. Wir bauen jeden kleinen einzelnen Tank anders aus und am Ende habe ich 35 verschiedene Tanks stehen und man ist ganz ganz penibel, was wo rein kommt. Und da muss ich mir ganz viel Zeit lassen.
Aber ich würde niemals etwas abfüllen, was meine Eltern vorher nicht probiert haben. Ich stelle meinen Eltern alles hin, weil die eine jahrelange Erfahrung haben. Und wenn die mal sagen würden: „Okay, Jule, was hast du denn da gemacht? Das geht auf gar keinen Fall.“. Dann würde ich alles nochmal umschmeißen und nochmal neu anfangen.
Das heißt, die Zusammenarbeit zwischen dir und deinem Papa ist gut. Ihr vertraut euch und arbeitet zusammen?
Genau. Da ich es komplett umgekrempelt habe, kann Papa mir im Keller gar nicht so wirklich helfen. Weil er es so gar nicht kennt. Aber die wichtigsten Sachen: der Geschmack und das, was am Ende rauskommt – da würde ich niemals eine Entscheidung treffen, ohne dass meine Family da drübergeguckt oder probiert hat. Das ist auch für mich super wichtig.
Du hast jetzt eine sehr schnelle Entwicklung gemacht. Glaubst du, die Tatsache, dass du eine junge Frau bist, war da auch manchmal ein Katalysator?
Ich finde das ganz schwierig, da zu differenzieren. Es kommt auf den Menschen an. Auf die Charakterzüge, auf die Ausstrahlung, auf die Ziele. Ich weiß nicht, ob man das in Bezug auf Mann oder Frau pauschalisieren kann. Am Ende entscheide ich alles aus dem Bauch heraus. Und lege einfach los. Ich mache mir da gar keine Gedanken drüber, weil ich auch noch nie eine negative Erfahrung gemacht habe. Und klar ist es am Anfang so, dass die Menschen überrascht sind, dass da einfach so ein 23-jähriges Mädel sitzt und so ein bisschen die Welt erklärt oder irgendwie ihre eigene Welt erklärt, was auch immer die dann ist. Aber ich glaube, klar ist man da am Anfang ein bisschen zurückhaltend oder skeptisch Jobeinsteigern gegenüber. Aber das ist doch auch positiv, weil man so dieses Freie, diese Lockerheit, diese Entspanntheit und nichts Verkorkstes oder Verkrampftes mitbringt.
Vielen Dank für den spannenden Tag bei dir im Weingut! Wenn ihr jetzt neugierig sein solltet und wissen möchtet, wie die Juwelen von Juliane schmecken, schaut in unserem Weinregal vorbei.
Kathrin Starker ist keine Winzertochter und obwohl sie sich nach dem Abitur direkt für ein Studium in Geisenheim entschieden hat, nennt man das in der Weinwelt dann trotzdem noch eine „Quereinsteigerin“. Für die Kellermeisterin ist das Geschlecht schon längst kein Thema mehr. Wenn überhaupt erfährt sie eine Unterscheidung zwischen Mann und Frau von der Kundenseite. Sie zeigt: Sich (als Frau) ohne eigenen Betrieb im Hintergrund für einen Berufsweg in der Weinwelt zu entscheiden, ist heute kein Problem mehr.
Wer bist du?
Mein Name ist Kathrin Starker. Ich bin 32 Jahre alt, wohne in Koblenz und bin Kellermeisterin beim Weingut Heymann-Löwenstein in Winningen an der Mosel.
Wie ist deine Verbindung zum Wein?
Gute Frage. Meine Verbindung zum Wein ist, dass ich aus einer Weinregion stamme. Ich bin aber vom Hintergrund her Quereinsteigerin und habe mich nach dem Abitur dann entschieden, Weinbau zu studieren. Und um das nochmal zu safen, habe ich ein Praktikum nach dem Abi gemacht. Und meine Vorstellungen vom Weinbau haben sich dann eigentlich nur bestätigt. Sodass ich es dann in Geisenheim vier Jahre studiert habe. Und dann direkt bei Heymann-Löwenstein als Kellermeisterin angefangen habe.
Welche ist deine liebste Rebsorte?
Blöde Frage. Ich komme von der Mosel. Insofern ist das auf jeden Fall der Riesling. Ich versuche es auch immer wieder mit anderen Rebsorten, aber ich komme immer wieder zum Riesling zurück. Wobei Spätburgunder auch ein großer Teil meines Herzens gehört.
Wenn du deinen liebsten Wein mit drei Wörtern beschreiben würdest, welche wären das?
Emotion, Geborgenheit und Freundschaft.
Wo sind wir hier?
Wir befinden uns hier in der Lage Winninger Uhlen. Dort haben wir nur diesen blauen Schiefer. Und dort kommt eines unserer großen Gewächse her. Für mich einfach ein toller Ort.
Später sind wir noch in unserem Fasskeller von unserer alten Jugendstil-Villa. Der Ort, an dem ich die meiste Zeit verbringe. Hier reifen die Weine, hier vergären die Weine. 1889 wurde das Gebäude gebaut. Und das ist natürlich auch für Mosel-Verhältnisse ein sehr großer Keller. Hier können wir super arbeiten, haben ein tolles Mikroklima. Wir arbeiten nur mit weinbergseigenen Hefen. Für mich war es nach dem Studium vor allem ein besonderer Ort, um erstmal zu sehen, dass all das, was uns in der Schule beigebracht wurde, hier eigentlich widerlegt wird. Es hieß immer, auf gar keinen Fall mit Spontanhefen arbeiten. Lieber die industriellen Hefen nutzen, auf Nummer Sicher gehen. Und die ersten Jahre habe ich nur damit verbracht, von Reinhard zu lernen, was alles möglich ist.
Wie sind wir hier hoch gekommen?
Wir sind mit einer Monorackbahn hier hochgefahren. Kann man sich vorstellen wie eine Zahnradbahn, mit der wir hauptsächlich in der Ernte die Trauben transportieren. Aber eigentlich bei jeder schweren körperlichen Arbeit, hauptsächlich um das Material hochzutransportieren. Ansonsten ist in den Terrassenlagen alles Handarbeit. Das heißt, wenn wir in so eine Lage gehen, dann fangen wir unten an und sollte es mal passieren, dass wir vor Feierabend die letzten Terrassen nicht mehr schaffen, dann würde man mit den Leuten beim nächsten Mal wieder hochfahren.
Du arbeitest als Kellermeisterin in einem traditionsreichen VDP-Weingut an der Mosel. Aus eurem Keller stammen nur feinste Tropfen. Wie sieht deine Arbeit als Kellermeisterin aus?
Das mit dem Begriff Kellermeisterin ist immer so eine Sache. Klar, ist meine Hauptaufgabe der Keller. Da habe ich so die Hand drüber zusammen mit meinem Chef Reinhard. Aber sobald die Gärungen beendet sind – wir vergären gerne alles mit weinbergseigenen Hefen – habe ich eigentlich erstmal nicht mehr viel dort zu tun. Die Weine liegen im Fass und reifen. Sodass ich dann mit draußen im Weinberg bin. Oder mich um Etikettierung und Versand kümmere. Ich mache auch Präsentationen oder Verwüstungen im Weingut. Eigentlich von allem ein bisschen was. Deswegen jetzt nur Kellermeisterin ist immer ein bisschen schwierig. Aber es ist mein Hauptaufgabenbereich.
Wie kommt es, dass du bei Heymann-Löwenstein gelandet bist?
Das war 2008, dass Reinhard mich mit einem gemeinsamen Freund anrief und sagte: „Hör mal, ich hätte gerne Unterstützung. Ich suche eine rechte Hand. Hättest du eine Idee? Du studierst gerade in Geisenheim. Vielleicht kennst du jemanden, der demnächst Abschluss macht?“ Das hat mir dann unser Kumpel erzählt und ich war Feuer und Flamme. War aber noch mitten im Studium. Habe aber Reinhard dann einfach mal angerufen und gesagt: „Ich hätte total Bock, es dauert aber noch ein Jahr, bis ich fertig werde!“. Und wir kannten uns schon von vorher und für ihn war das kein Thema. Er sagte: „Schau erstmal. Mach dein Studium fertig und wenn du fertig bist, dann rufst du einfach nochmal an und dann gucken wir mal. Vielleicht ist die Stelle ja noch frei.“ und so war es dann auch. Ich habe mein Praxissemester beendet, kam aus Neuseeland wieder und zwei Tage nach dem Rückflug bin ich sofort hier her. So fing das dann an. In den ersten Jahren aber erstmal nur in lernender Funktion. Reinhard hat mir genau Vorgaben gemacht, wie was zu tun ist. Und mit den Jahren ist die Erfahrung so gewachsen, dass ich auch selbst Entscheidungen treffen kann und mich da sicherer fühle.
Hast du je Vorurteile dir gegenüber erfahren, weil du eine Frau bist?
Also Vorurteile, jetzt nur weil ich eine Frau bin, sind mir eigentlich von der Betriebsleitung her nie entgegengebracht worden. Was auch sehr mein Selbstvertrauen gestärkt hat. Eher von Kundenseite. Und eigentlich macht es deswegen umso mehr Spaß, zu zeigen, dass es eigentlich gar kein Thema mehr ist. Also mittlerweile nervt es mich eigentlich schon fast. Ich bin auch der Meinung, dieses Thema Frauen und Wein ist sehr überholt. Post Gender und so. Wir sollten da so langsam einen Schritt vorwärts gehen und keinen Unterschied mehr machen, ob das jetzt eine Frau ist oder ein Mann. Ich denke, wer einen geilen Wein macht, der hat’s halt einfach drauf. Egal ob er Mann oder Frau ist. Deshalb schmunzel ich dann schon, aber ich gehe eigentlich gar nicht auf das Thema ein. Frage „Leute, schmeckt euch der Wein? Ja oder nein?“ – und darum geht’s.
Natürlich zählen auch die Leute, die dahinter stehen, aber das ist eigentlich Wurscht, ob es Mann oder Frau ist.
Hast du je daran gedacht, deine eigenen Weine zu produzieren?
Den Wunsch nach meinem eigenen Wein hatte ich auf jeden Fall. Ich habe da auch lange drüber nachgedacht. Aber für mich haben drei Dinge immer dagegen gesprochen. Das erste ist die Freiheit, die ich als Angestellte habe. Das hört sich jetzt erstmal widersprüchlich an, aber ich habe während des Studiums bei vielen Kommilitonen gesehen, was Selbstständigkeit bedeutet. Wie viel Zeit da drauf geht und dass es einfach Gebundenheit bedeutet. Und ich reise sehr gerne, teile mir meine Zeit gerne selbst ein. Ehrlich gesagt, kann ich mich hier im Betrieb auch total einbringen und nur weil mein Name nicht auf der Flasche steht, heißt das nicht, dass weniger Herzblut in dem Produkt drin steckt. Das kann man auch gut vereinen, ohne dass der Betrieb mir gehört. Deswegen war das für mich vollkommen in Ordnung, aber das kommt natürlich auf den Betrieb an, wo man da landet.
Und welches sind die anderen beiden Punkte?
Die anderen beiden Punkte wären, dass die Selbstständigkeit mit einem hohen Risiko verbunden ist. Alleine die Wetterkapriolen, die ich in den Jahren hier erlebt habe und mitfiebere. Das ist schon ein enormer Druck, dem ich mich anscheinend nicht gewachsen fühle. Was aber auch okay ist für mich.
Der dritte Punkt ist, dass das Thema Familie für mich sehr wichtig ist. Ich habe vor vier Monaten eine kleine Tochter bekommen. Und merke, wie viel Zeit und Kraft ich der Sache spenden möchte. Und merke auch für mich, dass ich glaube ich nicht dem gerecht werden würde, wie ich mir das als Mutter vorstelle, wenn ich jetzt selbstständig wäre. Dass ich es einfach nicht komplett so machen würde, wie ich es mir wünschen würde.
Hast du vor, direkt weiterzuarbeiten oder nimmst du dir eine kleine Auszeit?
Ich nehme mir schon eine gewisse Auszeit. Alleine schon für die Zeit des Stillens. Aber ich bin sehr froh, dass ich einen Freund habe, der da mitzieht. Und wir uns das einfach aufteilen und auch schon wieder so in diese Post Gender-Richtung rutschen. Ich denke einfach, wenn man einen guten Partner hat, der da mitzieht, das heißt, er wird beruflich zurückstufen, ich steige wieder ein, dass wir die Betreuung dann trotzdem hinbekommen. Und ja, für ein Kind gibt es glaube ich nichts Geileres, als wenn beide Elternteile zu gleichen Teilen da sind. Wenn sich das der Mann oder der Partner im allgemeinen, könnte ja auch eine Frau sein, vorstellen könnte, dann ist das voll in Ordnung. Das schöne ist, dass das bei uns der Fall ist. Das war schon immer so geplant. Dann kann ich direkt wieder einsteigen. Ziel ist: nächste Weinlese.
Gibt es Unterschiede in der Art, wie Frauen und Männer Wein an- und ausbauen?
Unterschiede im An- und Ausbau von Weinen, sei es jetzt ein Mann oder eine Frau… – es gibt Unterschiede, aber das ist personenbezogen. Das ist was persönliches und nicht etwas geschlechterspezifisches. Für mich zumindestens, aber auch immer für die Leute, bin denen ich zusammen gearbeitet habe. Bei meinen vielen Praktika oder jetzt auch bei uns im Betrieb, hat einfach jeder Mensch eine andere Herangehensweise. Aber das hat nichts mit dem Geschlecht zu tun. Da könnte man schnell in diese Klischeebilder verfallen, aber ich habe beides erlebt, insofern ist das für mich kein Thema.
Sabine Wienk-Borgert leitet den Außenbetrieb in einem Weingut in der Pfalz. Ihr Team besteht nur aus jüngeren Männern. Das ist relativ unüblich, dass eine Frau für die Arbeiten im Weinberg verantwortlich ist. Und in den 70er Jahren war das wohl undenkbar. Damals hat sich Sabine entschieden, eine Winzerlehre anzufangen. Aber das war gar nicht so leicht.
Wer bist du?
Ich bin Sabine Wienk-Borgert. Ich bin Winzerin und Weinbau-Ingenieurin. Und arbeite hier in St. Martin im Weingut Schreieck. Jetzt schon seit 16 Jahren. Und kümmere mich mit meinem Team um den Außenbetrieb, die Außenwirtschaft. Was mir auch sehr viel Spaß macht und mich jeden Tag aufs Neue herausfordert.
Was sind deine Aufgaben?
Meine Aufgaben hier im Betrieb, im Weingut Schreieck, sind die Handarbeiten. Ich kümmere mich mit meinem Team um das Schneiden, Biegen, Ausbrechen. Wir sind dafür verantwortlich, dass die Weinberge schön sind, dass die Qualität stimmt. Dazu gehört auch das Entblättern, die Handlese. Das ist auch etwas, was wir verstärkt machen – eben für die guten Qualitäten, die wir produzieren wollen.
Wie ist deine Verbindung zum Wein?
Oho, da muss ich erstmal überlegen. Mir schmeckt er ganz gut. Nein, das auch, aber ich bin von Haus aus eine Winzerstochter. Ich konnte ja gar nichts anderes werden als Winzerin. Mein Vater hat mich für den Wein begeistert. Das muss ich schon sagen. Habe Winzerin gelernt und meine Ausbildung gemacht von der Pike auf. Und dann habe ich später auch in Geisenheim studiert. Nach der Familienphase bin ich hier in St.Martin gelandet. Das ist mittlerweile schon 16 Jahre her.
Welche ist deine Lieblingsrebsorte?
Eindeutig ist meine Lieblingsrebsorte der Riesling. Riesling ist unglaublich spannend. Super Säure, super Geschmacksvielfalt und einfach jeder Schluck ein Spaß.
Wenn du deinen Lieblingswein mit drei Wörtern beschreiben müsstest, welche wären das?
Mein Lieblingswein, der braucht erstens ein sehr langes Kleid. Es muss eine richtig schicke Diva sein mit einem langen Kleid. Und die Frau – mein Wein ist immer weiblich, das ist ja klar, ich bin ja schließlich auch eine Frau – muss richtig Klasse haben. Klasse und Finesse.
Du bist verantwortlich für alles, was draußen im Weinberg passiert. Wie kommst du zu dieser Position im Betrieb?
Also ich habe mich nicht beworben. Sie haben mich gefunden. Der Herr Schreieck hat mich damals angerufen, hat mich gefunden und hat gesagt: „Du machst das jetzt hier. Mit den Weinbergen.“.
Schreiecks haben jemanden gesucht, der die Handarbeiten im Betrieb begleitet. Der die Außenwirtschaft auf Vordermann bringt. Ja, so kam ich hierher. Und ich habe mir das auch selbst so erarbeitet mit einem Team zusammen, das mich jeden Tag unterstützt.
Du leitest als Frau ein Team, das nur aus Männern besteht. Musstest du dich erstmal beweisen?
Ich muss mich jeden Tag beweisen in meinem Job, das ist ganz klar. Ich muss jeden Tag gut sein. Ich muss jeden Tag alles geben. Ich muss genau so gut arbeiten, wie die Männer – die jungen Männer. Die sind teilweise halb so alt wie ich. Aber ich finde, das klappt ganz gut. Also ich komme gut mit Männern aus. (Flüstert:) Besser als mit Frauen.
Nee, die Männer sind echt klasse. Ich habe lauter hübsche junge Männer – Mensch, ist das nicht klasse. Das motiviert mich jeden Tag wieder aufs Neue.
Wie ist dein Team zusammengesetzt?
Wir haben hier ungefähr fünf, manchmal auch sechs junge Männer, die mit uns arbeiten. Die teilweise Schlepperarbeiten machen, aber auch mit mir gehen. Wir wechseln uns immer ein bisschen ab. Und morgens überlegen wir: „Was ist jetzt gerade dran?“. Heute morgen zum Beispiel haben wir mit einigen Leuten Steine gerafft, gesucht. Wir haben neue Weinberge angelegt und da müssen die großen Steine rausgeholt werden. Ich bin mit einem anderen Team zum Drähte-Runterlegen. Also wir öffnen die Drähte hier, damit die Reben durchwachsen können. Das ist etwas, was im Moment gemacht wird, bevor die Triebe wachsen. Und so wird jeden Morgen neu entschieden, was am Tag gemacht wird. Wer mit wem zusammenarbeitet.
Du bist Mitglied bei Vinissima. Worum geht es euch in diesem Verein?
Vinissima ist ein Weinfachfrauen-Verein. Wir haben hier in der Pfalz einen Zweigverein mit über 120 Mitgliedern. Wir bilden ein Netzwerk zusammen. Wir können uns unterstützen, wir haben zusammen Veranstaltungen. Wir haben auch viel Spaß miteinander. Wir sind Freundinnen. Mit dem Wein zusammen. Winzerinnen, Weinhändlerinnen, Gastronominnen. Wir können uns jederzeit unterstützen mit unseren Erfahrungen, sich gegenseitig helfen und das ist ganz wichtig in dieser Branche, die auch häufig von Männern dominiert wird. Und ja, ist einfach auch schön, wenn man so ein Netzwerk hat von Frauen, die sich um den Wein bemühen.
Du kennst viele Weinfrauen. Gibt es Unterschiede in der Art, wie Männer und Frauen Wein an- und ausbauen?
Frauen und Männer arbeiten generell sehr unterschiedlich mit Wein oder auch im Keller oder auch draußen. Also wir Frauen haben ein Händchen. Ein ganz anderes Händchen als die Männer. Auch eine andere Zunge. Manchmal würde ich sagen, dass wir sogar ein feineres Gespür haben für den Wein. Aber ob man das nachher schmecken kann, ob man sagen kann, der Wein, den eine Frau im Keller ausgebaut hat, schmeckt so oder so. Also ich denke, das ist auch eher emotional.
Hast du Erfahrungen gemacht, die nur Frauen in deiner Position machen würden?
Ich kann ja nur von mir sprechen, nicht von anderen. Ich kann euch mal sagen, was ich schon erlebt habe als Frau in meiner Branche. Erstensmal hätte ich fast keine Lehrstelle bekommen damals in den 70er Jahren, weil es für Frauen überhaupt keine Lehrstellen gab. Die Frau im Winzerbetrieb hatte früher eine ganz andere Position gehabt. Die war die Frau des Winzers, hat sich auch meistens um das Häusliche gekümmert. Auch heute wird die Frau noch viel in den Weinverkauf gesteckt. Aber ich denke, mittlerweile sind wir soweit, dass Frauen alles machen können. Draußen arbeiten, im Keller, im Vertrieb – eben alles. Und ich denke auch, dass wir uns mit der Zeit einfach eine Position in dieser Weinwirtschaft erarbeitet haben. Und dass wir genauso behandelt werden, wie die Männer. Ich finde das einfach normal mittlerweile.
Sabine, du bist wohl der Inbegriff von Powerfrau. Danke dir für das Interview! Zum Schluss möchten wir dir noch einen Wein empfehlen, der den Vorstellungen deines Lieblingsweins von einer Diva mit Klasse und Finesse entsprechen könnte. Wir treffen dich gerne noch einmal auf ein Glas vom Ruppertsberger Hoheburg Riesling von Marie Menger-Krug – auch aus der Pfalz!
Schon seit fünf Generationen wird das Weingut Willems-Willems von Frauen geleitet. Carolin Hofmann ist die fünfte. Zusammen mit ihrem Mann Jürgen lebt sie in Appenheim in Rheinhessen und schmeißt von dort aus zwei Betriebe und eine Familie. Sie erklärt uns, wie das funktionieren kann.
Wer bist du?
Ich bin Carolin Hofmann, geborene Willems. Wir haben zwei Weingüter. Ich komme von der Saar. Mein Mann hat das Weingut hier aus Rheinhessen. Unser Motto ist „Schiefer trifft Muschelkalk“. Das ist nämlich das Spannende, dass man beide Gebiete zeigen kann. Die beiden Bodenarten schmecken auch komplett unterschiedlich im Wein.
Ich bin eine leidenschaftliche Winzerin, eine leidenschaftliche Mutter und freue mich, diese ganze Entwicklung zu sehen. Von den Reben bis zur Weinflasche und auch von den Kindern. Von der Geburt bis später in die Schule. Ich finde es einfach sehr schön, wenn wir als Familie dahinter stehen und wie gut alles funktioniert. Das macht mir einfach wirklich sehr viel Spaß.
Was ist deine Verbindung zum Wein?
Wein ist mein Leben. Ich bin damit aufgewachsen. Habe aber auch gesehen, dass es eine ganz andere Philosophie sein kann, wie nur anbauen. Dass es ein kleines Kunstwerk ist, einen Wein zu machen.
Welche Rebsorte ist deine liebste?
Meine Lieblingsrebsorte ist Riesling, weil sie eine volle Bandbreite zeigt. Vom Trockenen bis zum Lieblichen. Ich mag gerne auch mal eine Spätlese oder einen Kabinett, mal ein bisschen restsüßer.
Wenn du deinen absoluten Lieblingswein mit drei Wörtern beschreiben müsstest, welche wären das?
Mein Lieblingswein schmeckt grazil, filigran und doch mit viel Power dahinter.
Euer Weingut wird mit dir in fünfter Generation von Frauen geführt. Für die Weinwelt ist das recht unüblich. Wie kommt es, dass bei euch schon immer die Frauen die Leitung des Betriebs übernehmen?
Ja, ich bin jetzt die fünfte Generation in weiblicher Hand. Das hat sich immer so ergeben, dass die Frauen das Weingut an ihre Kinder weiter übergeben haben. Und das waren dann eben die Frauen, die da so richtig mit anpacken mussten. Teils durch Krieg, wenn die Männer dann nicht da waren oder durch Krankheit. Sie haben das aber immer angepackt und haben es mit der Familie weitergeführt. Und ich bin jetzt die fünfte.
Ich war früher schon mit im Weinberg dabei und habe natürlich mitbekommen, wie viel Arbeit das ist. Ich war immer sehr, sehr gerne in der Natur. Und als die Schule zu Ende war, kam die Entscheidung, was ich jetzt machen würde. Und dann hat es den entscheidenden Klick gemacht, als ich zwei Praktika machen konnte, die völlig meine Weltanschauung im Weinbau verändert haben. Das war einmal an der Ahr im Weingut Deutzerhof und an der Ruwer im Weingut Kesselstatt.
Die haben mir gezeigt, dass man eine ganz andere Philosophie reinstecken kann. Dass es so ein kleines Kunstwerk ist, was man da kreieren kann.
Du bist Winzerin, Mutter und Ehefrau und pendelst zwischen zwei Betrieben in Rheinhessen und an der Saar hin und her. Wie meisterst du all diese Rollen gleichzeitig?
Ja, das ist schon nicht so ganz einfach, diese Pendlerei zwischen der Saar und Rheinhessen. Es ist oft wie eine kleine Weltreise mit drei Kindern heißt das immer Auto packen. Man fährt von einem Standort zum nächsten. Aber das Schöne ist, dass wir mittlerweile ein ganz tolles Team haben. Wir haben einen Betriebsleiter an der Saar, der mir so den Rücken freihält. Mit ihm habe ich den ersten Herbste gemacht. Er ist schon sehr eigenverantwortlich dort unterwegs. Wir sprechen vieles ab und wir probieren viel Wein zusammen. Er führt das Weingut auch, als wäre es sein eigener Betrieb. Sonst kann man das alles nicht schaffen. Bei drei Kindern, das zieht so viel Zeit. Das muss man irgendwo hinbekommen.
Und dann kommen auch die Kunden, die Endverbraucher hier nach Rheinhessen. Mein Mann macht mehr so die Fachhandelskunden. Da teilen wir uns das ganz schön auf.
Du arbeitest zusammen mit deinem Mann Jürgen. Unterstützt ihr euch in allen Arbeitsbereichen oder haltet ihr bestimmte Aufgaben getrennt?
Jeder hat schon so seine Hauptaufgabe. Ich bin dann mehr im Büro, bin für die Buchhaltung zuständig, koche das Essen für die Kinder und organisiere die Kinder. Schaue auch draußen mal im Weinberg, aber das ist eigentlich mehr seine Aufgabe, dass er schaut, dass der Außenbetrieb läuft. Im Keller ist er mehr der Mann, der alles macht. Aber wir probieren die Tanks zusammen durch. Das ist das Schöne: Gemeinsam hier durchlaufen und die Weine probieren.
Entscheidet ihr also zusammen, welchen Charakter eure Weine haben sollen?
Ich denke, da haben wir schon eine Wellenlänge. Wir diskutieren da schon ein bisschen was, aber im großen und ganzen sind wir da eigentlich auf einer Linie.
Hast du Erfahrungen gemacht, die nur Frauen in deiner Position machen würden?
Ja, gerade wenn Familie da ist. Das ist dann immer so eine Gradwanderung. Da muss man schon schauen, dass man nicht so sehr abgelenkt wird. Wenn man gerade was am Arbeiten ist, muss man trotzdem immer die Termine der Kinder im Blick behalten. Das geht dann zwischen den Weinkunden, zwischen den Präsentationen. Man muss es sehr gut organisieren. Und da halten mir meine Schwiegereltern auch den Rücken frei. Wir haben jetzt unser zweites Au-pair-Mädchen, was auch super viel Spaß macht. Und da muss man versuchen, das alles zu organisieren.
Inwieweit wären die Erwartungen an dich und deine Arbeit andere, wärst du ein Mann?
Im Grunde muss ja meine Arbeit auch gemacht werden. Wenn ich ein Mann wäre, würde ich wahrscheinlich eher die Arbeit von meinem Mann machen. Dass man draußen im Weinberg schaut und im Keller. Es müsste dann aber auch eine Frau da sein, die sich um alles andere kümmert. Es ist da ja auch viel zu tun.
Es hat jeder seine Favoritenrolle. Einfach nur im Team ist man stark. Das ganze Weingut lebt von der Familie und jeder hat so seine Aufgabenbereiche und nur so kann es funktionieren.
Wie hat sich die Rollenverteilung in den Jahren entwickelt?
Früher war ich mehr draußen und habe den Keller ganz alleine geschmissen mit meinem Papa zusammen. Jetzt durch die Familie merkt man schon, dass man in andere Rollen reinkommt. Und dass man versucht, das einfach hinzubekommen, dass es weiter läuft. Dass der Keller funktioniert. Ich freue mich aber schon riesig, wenn da wieder mehr Luft ist.
Die Kleine ist jetzt zwei Jahre alt. Das zieht noch viel Zeit. Aber wenn dann wieder mehr Luft ist, kann ich wieder mehr im Keller arbeiten und auch wieder raus in den Weinberg und in der Natur arbeiten. Da freue ich mich riesig drauf.
Wo unterscheidet ihr beiden euch im Arbeiten?
Wenn ich jetzt die Anfänge sehe, war Jürgen immer so „schnell, schnell die Weine fertig machen“ und da habe ich so eine Ruhe reingebracht. Erstmal den Weinen Zeit geben, nicht zu schnell abfüllen. Erstmal auf der Hefe ruhig liegen lassen. Da hat sich schon sehr viel getan in der Entwicklung. Und da habe ich vielleicht das Fingerspitzengefühl, erstmal abzuwarten, nicht immer gleich Sachen anzugehen, sondern erstmal auszuloten.
Gibt es einen Unterschied in der Art, wie Männer und Frauen Wein an- und ausbauen?
Wir Frauen lassen uns schon mehr Zeit. Dass wir den Weinen ein bisschen länger Zeit geben beim Ausbau, auf der Hefe. Dass wir uns Zeit nehmen, vor allem auch für Fortbildungen. Dass wir uns zusammenschließen. Ich bin Mitglied bei den vinissima. Das sind 500 Weinfrauen in ganz Deutschland. Wir treffen uns oft. Es gibt Veranstaltungen, bei denen wir uns austauschen und Weinproben zusammen machen. Bei denen wir uns Wein und Architektur anschauen. Fortbildungsmäßig sind wir da schon aktiver als die Männer. Man erfährt viele Sachen auch von anderen Frauen.
An welchen Ort nimmst du uns heute mit?
Am liebsten würde ich mit euch an den Hundertgulden fahren. Das ist am Tisch des Weines. Da machen wir immer mit den Winzern einen Weinausschank und auch das Hundertgulden-Picknick. Von dort aus hat man einen traumhaften Blick über Appenheim bis in den Rheingau. Da sitzt man mitten im Rebenmeer.
Sonst bin ich auch gerne in der Sauna und entspanne mich. Auch die Kleinen kommen schon mit in die Sauna und am besten trinken wir noch ein Gläschen Sekt danach.
Während wir das Interview transkribieren wünschen wir uns in eure Sauna mit einem Glas vom Dicken Fritz. Danke Carolin!
Franzi hat eine Erfahrung gemacht, die nicht viele Frauen machen. Sie war Weinprinzessin an der Nahe. So richtig mit Krone. Sie erzählt uns, warum sie sich für das Amt entschieden hat, was sie erleben durfte und warum sie die Krone nicht gerne getragen hat.
Wer bist du?
Ich bin Franziska Finkenauer. Ich bin 23 Jahre alt und komme von der Nahe aus Bad Kreuznach. Ich studiere jetzt im letzten Semester Weinbau und Oenologie in Geisenheim und war im letzten Jahr Weinprinzessin an der Nahe.
Wie ist deine Verbindung zum Wein?
Meine Verbindung zum Wein wurde schon bei meiner Geburt gelegt. Ich bin Winzerstochter.
Welche ist deine Lieblingsrebsorte?
Meine liebste Rebsorte ist der Riesling, weil ich sehr gerne Weine aller Geschmacksrichtungen trinke. Also ich bin nicht so ein engstirniger Trockentrinker oder Süßtrinker. Ich trinke alle Geschmacksrichtungen gerne und immer mal so vermischt und ich finde, der Riesling ist die einzige Rebsorte, die das so richtig mitmachen kann. Ich finde, viele Rebsorten schmecken nicht so gut, wenn sie süß oder eben trocken sind. Bei uns im Weingut ist es auch so, dass wir über die Hälfte Riesling anbauen. Deshalb ist das auch so ein bisschen in die Wiege gelegt worden.
Wir bei Geile Weine beschreiben unseren Lieblingswein immer mit drei Schlagworten. Wenn du deinen Lieblingswein mit drei Wörtern beschreiben müsstest, welche wären das?
Mein Lieblingswein müsste elegant, frisch und schlank sein.
Wo befinden wir uns gerade?
Wir sind hier heute in unserem Weinkeller. Das ist unsere Schatzkammer, hier werden unsere alten Weine gelagert. Deswegen auch die Spinnweben, damit es authentisch aussieht.
Du hast eine Erfahrung gemacht, die nur wenige junge Frauen machen. Du warst Weinprinzessin. Wie kam es dazu?
Bei Winzerstöchtern ist die am häufigsten gestellte Frage, glaube ich, ob man später mal Weinprinzessin werden möchte. So war das zumindest bei mir. Früher war das schon ein Kindheitstraum. Als ich dann älter wurde, hat sich das ein bisschen verloren. Und ich habe das Amt einfach nicht als etwas Erstrebenswertes für mich angesehen. Als ich dann mein Studium in Geisenheim angefangen habe, bin ich immer mehr in Kontakt mit Mädels gekommen, die das eben schon gemacht haben und irgendwann habe ich dann für mich die Entscheidung gefasst, das später auch mal zu machen.
Was muss man können, um Naheweinmajestät zu werden?
Man sollte auf jeden Fall die Begeisterung für den Wein haben und auch bereit sein, diese über das Amtsjahr hinweg mit anderen zu teilen. Man muss natürlich auch was an Fachwissen vorweisen können. Aber da wird man auch sehr gut von Weinland Nahe geschult, kann an Schulungen teilnehmen und bekommt einiges an Fachwissen mitgeteilt und man sollte sich natürlich sehr, sehr gut in der Region auskennen und die besten Orte für Touristen herausfinden.
Wie sieht so ein Amtsjahr als Naheweinprinzessin aus? Was hast du erlebt?
Man erlebt natürlich hauptsächlich Mitmenschen. Der Wein ist immer das Hauptthema, um den geht’s, aber ich habe sehr viele verschiedene Erfahrungen gemacht. Am besten waren für mich immer die Erfahrungen, die ein bisschen weiter weg vom Heimatort stattgefunden haben.
Am weitesten weg war ich glaube ich in Kiel, also ganz im Norden. Und die Menschen da haben schon ein ganz anderes Verhältnis zum Wein. Und das ist irgendwie schön, so mitzubekommen. Also die stellen Fragen – wenn das hier jemand im Gebiet fragen würde, würde man vielleicht sagen, es wäre eine banale Frage. Aber mit solchen Fragen setzt man sich ansonsten gar nicht so auseinander. Und da entstehen dann immer sehr schöne Gespräche.
In Nordrhein-Westfalen war ich auch einige Male und die Menschen dort sind sehr, sehr fröhlich. Feiern sehr gerne Weinfeste. Und die fahren da schon teilweise Sachen auf. Das habe ich selbst bei uns noch nicht gesehen – unfassbar groß sind die Feste dort. Dort führt man immer gute Gespräche, die man hier im Gebiet nicht so führt, weil die einfach ein ganz anderes Interesse haben, auch an der Weinmajestät als Person und nicht nur als Weinbotschafterin und das ist auch mal ganz schön und abwechslungsreich.
Es gibt keine Weinkönige oder -prinzen. Hast du je hinterfragt, warum sich für das Amt nur Frauen bewerben dürfen? Oder ist das eben einfach Tradition und auch in Ordnung in einer noch immer recht männerbesetzten Weinwelt?
Ja, ich glaube, es hat hauptsächlich mit Tradition zu tun. Deshalb habe ich mir die Frage gar nicht groß gestellt. Weil ich es eben von Kind auf nur so kannte. Häufig stellen mir aber andere Menschen diese Frage. Und ich hatte eigentlich nie so eine richtige Antwort darauf, außer dass es eben in dieser männerbesetzten Welt…, also vor allem früher gab es nur Fachmänner. Es gab keine Fachfrauen. Weshalb ich es eigentlich schon recht fortschrittlich fand, dass früher Frauen überhaupt einen Platz in der Weinwelt hatten durch dieses Amt, was ich eigentlich ganz sympathisch finde, wenn man das mal so rückblickend betrachtet.
Ich finde aber auch, dass dieses Amt von früher noch sehr in die heutige Zeit mitgenommen wird, projiziert wird. Ich habe häufig die Erfahrung gemacht, dass gerade in den Köpfen das alte Bild noch sehr verankert ist. Dass das Amt an sich zwar relativ neu revolutioniert ist, auch die Mädels sind ja alle moderner als früher, aber die Menschen haben das noch so ein bisschen abgespeichert. Und deshalb ist es teilweise schwer, aus diesem Bild auszubrechen. Was immer noch ein Problem ist, ist dass man hinter diesem Bild verschwindet, hinter diesem Bild der Weinmajestät. Man hat nicht so wirklich eine Stimme. Und das ist teilweise ein bisschen schwer.
Wurde dein Fachwissen stets anerkannt oder gab es auch Momente, in denen du auf deine Weiblichkeit reduziert wurdest?
Mein Fachwissen, wenn es gefragt war, wurde stets anerkannt. Weil die Leute haben dann schon mitbekommen, dass ich auch vom Fach komme, Winzerstochter bin und auch in Geisenheim studiere.
Ich würde sagen, ich wurde nicht auf die Weiblichkeit reduziert, sondern auf das Bild mit der Krone auf dem Kopf. Das hat teilweise schon reduziert und deswegen habe ich persönlich die Krone nicht so gerne angezogen. Und habe es auch immer vermieden, wenn ich konnte. Aber eigentlich ist das ja schon der Werbeträger und deshalb gehört es halt einfach dazu. Das wusste ich auch schon vorher. Aber man wird teilweise schon darauf reduziert und es ist schon schwer, dass man dahinter verschwindet. Gerade auf Veranstaltungen, wenn man ein Grußwort hält, ist das dann das einzige, was die Leute hören wollen. Die wollen nicht, dass man irgendwas Kritisches sagt. Selbst wenn es irgendwelche Fakten sind. Die hören das nicht gerne. Auf einmal wird es dann laut und unruhig und sie zeigen nicht so viel Interesse dafür. Das war für mich schwer, weil ich manchmal einfach gerne mehr gesagt hätte als „Schönen Tag und hoch die Tassen!“.
Wie ist es, als Frau in Geisenheim Weinbau zu studieren? Fühlst du dich in der Unterzahl? Wirst du manchmal unterschätzt oder gibt es da gar keine Unterschiede?
Als Frau in Geisenheim ist es heute eigentlich nicht mehr schwer. Früher stelle ich es mir schon schwieriger vor, obwohl es schon seit einigen Jahrzehnten einige Frauen in Geisenheim gab. Wir sind nicht 50/50, aber 30/40% Frauen über die Studiengänge verteilt sind schon dabei. Und der Austausch findet unter allen statt. Da werden keine Unterschiede zwischen Mann und Frau gemacht. Das ist alles sehr ausgeglichen, so zumindest meine Erfahrung.
Gibt es Unterschiede in der Philosophie, wie Männer und Frauen Weine an- und ausbauen?
Ich denke nicht, dass es Unterschiede im Ausbau von Wein gibt, die jetzt vom Mann oder von der Frau abhängen. Ich denke, jeder hat seinen Qualitätsstandard, den er anstrebt, sein Ziel. Und das modelt sich glaube ich ein bisschen an dem Weinmarkt an sich. An Weinen, die man probiert. An Weinen, die man selbst gerne trinkt. Und nicht daran, ob das jetzt eher ein süßer Wein ist, was man ja mit der Frau verbinden könnte oder ein trockener Wein für Männer, sondern jeder macht das, wie es eben selbst am besten zu einem passt. Und was man eben selbst am liebsten hat. Das ist glaube ich eher eine Charakterfrage als eine Geschlechterfrage.
Aber ich habe das jetzt persönlich noch nie so empfunden, dass ich den Wein auf eine weibliche Art ausbaue, sondern einfach: „Wie würde ich gerne Wein trinken? Und wie schmeckt er mir am besten?“. Deshalb ist das einfach eine persönliche Vorliebe, eine Charaktersache. Aber ich würde sagen, das hängt nicht unbedingt mit Mann oder Frau zusammen. Zumindest für mich nicht.
Gibt es da vorherrschende Klischees? Und wie siehst du das?
Ich finde, es gibt schon Klischees. Das beruht auf der Aufgabenverteilung in den Weingütern. Dass die Männer besser Traktor fahren können, dass die Männer Sachen rumschleppen können. Und dass die Frauen eher den Verkauf machen, den Kundenkontakt pflegen. In den meisten Weingütern ist die Aufgabenverteilung so. Aber ich denke, in vielen Weingütern, wo Frauen jetzt am Ruder sind, wo Frauen in Geisenheim studiert haben, eine Ausbildung gemacht haben, tritt das auch immer mehr in den Hintergrund. Immer mehr Frauen bauen auch den Wein aus. Frauen können auch Traktor fahren. Das kann ich bestätigen. Und Männer können auch Wein verkaufen. Deshalb finde ich, diese Klischees, die gibt es zwar, aber sie sind nicht unbedingt immer gerechtfertigt.
Ich finde, wenn man den gleichen Beruf hat, dann behandeln mich alle gleich und ich unterhalte mich auch auf der gleichen Ebene.
Du bist die nächste Generation im Weingut. Wie findet die Zusammenarbeit und der Generationswechsel statt?
Der Generationswechsel findet peu a peu statt. Also ich habe hier noch keine Entscheidungsgewalt. Wir machen das in beiderseitigem Einvernehmen. Wir beraten uns gegenseitig. Ich bringe meine Einflüsse ein, mein Vater seine und wir entwickeln das gemeinsam weiter. Das war mir auch wichtig. Ich wollte nicht auf einmal meine Weinlinie rausbringen, was ja viele machen. Sondern ich wollte mich lieber zuhause einbringen und das, was wir haben, weiterentwickeln, anstatt etwas neues aufzubauen.
Und wenn du heute eine Veränderung herbeiführen könntest, welche wäre das?
Wenn ich eine Sache verändern dürfte, würde ich mehr in die ökologische Richtung gehen. Wir haben zwar zusammen schon was verändert. Wir haben uns schon weiterentwickelt. Aber wir sind noch konventionell wirtschaftend und ich würde schon gerne in die ökologisch wirtschaftende Sparte gehen.
War das von Anfang an eine Option, in den Betrieb einzusteigen? Gab es da Erwartungen, dass du oder deine Schwester das Weingut irgendwann übernehmen sollten?
Meine Eltern haben das nicht von uns erwartet, dass einer von uns das Weingut weiterführt. Sie haben immer gesagt: „Ihr könnt das machen, wenn ihr möchtet!“. Ich habe bisher als einzige die Entscheidung getroffen, meine Schwester ist noch nicht so weit. Die macht noch Abitur. Aber ich wusste immer, dass ich es machen kann. Dass meine Eltern mir das ermöglichen würden. Aber sie haben mir keinen Druck gemacht. Und das war mir auch wichtig. Weil damit bin ich auch überhaupt nicht klar gekommen. Und ich wollte es auch nicht machen, bis ich Abitur hatte. Dann habe ich gedacht, ich muss meinen eigenen Weg in die Welt finden. Und das funktioniert nicht so über Geburt, sondern eher über den eigenen Willen. Das war mir auch wichtig. Ich hätte mir auch vorstellen können, andere Sachen zu studieren, aber ich habe dann irgendwie eine Tür für mich gefunden und seitdem habe ich mich dazu entschlossen. Und verfolge das noch weiter.
Wurde dir das als Tochter direkt zugetraut? Oder gab es da auch Stimmen, die gesagt haben: „Oh, es gibt keinen Sohn, jetzt muss es die Tochter machen. Die wird bestimmt eher mal jemanden einstellen als Kellermeister.“ oder trauen dir das alle zu?
Meine Eltern trauen mir das schon zu, dass ich den Betrieb später leiten könnte. Seit ich klein bin, wurde ich einbezogen. Wir standen immer im Austausch. Alles, was ich lerne, kann ich mir hier erklären lassen, zeigen lassen. Ich weiß nicht, wie es in der normalen Arbeitswelt ist, wie Frauen da eingestellt werden. Als Kellermeister – als Außenbetriebsleiter wahrscheinlich eher nicht. Aber ich hoffe, dass man da einen Weg finden könnte, außerhalb des eigenen Weinguts in der Weinwelt zu bestehen. Ich würde mir das schon zutrauen.
Ich denke, dass viele schon, sobald Söhne im Betrieb sind, davon ausgehen, dass sie den Betrieb weiterführen werden. Bei Töchtern ist das irgendwie kein Thema. Die könnten ja auch was anderes machen. Das ist auch eins der Klischees. Auch viele Söhne entscheiden sich für etwas anderes. Nicht automatisch jeder Mann übernimmt den Betrieb. Und bei Frauen ist das Kinder-Kriegen, die Familie auch ein Faktor, der noch mit reinspielt. Dass man vielleicht auch einen Partner braucht, der da mit an einem Strang zieht. Und das stelle ich mir auch schwieriger vor. Aber bei mir war das nicht der Fall, dass Leute von außerhalb mir das nicht zugetraut haben und dachten, der Betrieb geht nicht weiter, weil es jetzt „nur“ zwei Töchter gab. Aber das haben wir jetzt ja erstmal abgewendet. Also es wird weitergehen.
Danke Franzi!
P.S. Dir und allen Riesling-Fans da draußen empfehlen wir unser Riesling-Paket. Geballte Riesling-Power: von trocken bis lieblich und sogar prickelnd.
Romana ist Sommelière, Journalistin, Autorin und Master of Wine. Für alle, die diesen Titel nicht kennen: das ist so ziemlich die höchste Auszeichnung, die man in der Weinwelt erreichen kann. Kein anderer Titel demonstriert Fachwissen so sehr wie dieser. Da prostet dir jeder Weinkenner anerkennend zu. Weltweit gibt es nur 355 Menschen, die diesen Titel tragen. In Deutschland gibt es drei Frauen, die diese Ausbildung abgeschlossen haben – Romana ist eine davon. Außerdem hat sie gerade ein Buch geschrieben: „Von wegen leicht und lieblich. Ein Weinbuch nur für Frauen“. Romana könnte also nicht besser in unsere Feinherber Feminismus-Reihe passen. Sie erzählt, wie sie sich einen Platz in der Weinwelt erkämpft hat, wo es Unterschiede beim Weinkauf und der Weinbewertung zwischen Männern und Frauen gibt und was sie davon hält, wenn Weine mit den Begriffen „maskulin“ oder „feminin“ beschrieben werden.
Wer bist du?
Mein Name ist Romana Echensperger und ich bin schon ganz lange in der Weinbranche, schon seit 15 Jahren. Das ist immer so heftig, wenn man das sagt. Und bin Master of Wine1 und seit sechs Jahren selbstständig in der Weinbranche unterwegs.
Wie ist deine Verbindung zu Wein?
Meine ursprüngliche Verbindung zu Wein kam eigentlich auf Umwegen. Ich komme aus Bayern, aus einem kleinen Dorf. Mein Vater hat zwar schon immer ganz gerne Wein getrunken. An Weihnachten kam immer so ein Vertreter – das kann man sich ein bisschen so vorstellen wie bei Loriot mit so einem kleinen Köfferchen. Und dann: Trara, Chablis2. Und dann haben wir eben mal ein paar Weine getrunken. Das war immer ein richtig großes Fest!
Aber ansonsten hat man in der Familie nicht so wirklich Wein getrunken. Ich kam eigentlich erst über die Gastronomie dazu. Ich habe im Königshof in München gelernt, wo ja Wein ein ganz großes Thema ist. Die haben einen riesigen Keller. Von außen sieht das ja nicht so schön aus, aber der Keller da unten, der ist ein Paradies für Weinfreunde. Und da wurde man so richtig angefixt. Weil dieses Thema Wein war immer in der Luft. Und immer war da so eine Aufregung drumherum.
Und da bin ich quasi von der Reblaus gebissen worden.
Welche ist deine liebste Rebsorte?
Das kann man immer schwer sagen, weil es auch immer davon abhängt, was man für eine Stimmung hat. Ich finde, wenn jetzt zum Beispiel Weihnachten ist oder gerade in der Herbstzeit – ich koche wahnsinnig gerne und wenn ich dann Wild zubereite, dann passt ein Pomerol3, also ein Merlot.
Wir sind ja gerade in Franken. Ich liebe Silvaner. Ich habe auch meine Master of Wine-Abschlussarbeit über das Thema Silvaner geschrieben und das ist für mich eine totale Herzensangelegenheit. Silvaner geht für mich immer.
Aber ich liebe auch andere Weine. Also das kann man wirklich schwierig sagen. Eine Rebsorte – das wäre irgendwie infam, sich da festzulegen. Es gibt zu viele tolle Rebsorten!
Mit welchen drei Worten würdest du deinen absoluten Lieblingswein beschreiben?
Eigentlich ist es ganz einfach. Es reicht auch eins: wunderbar. Und zwar dann, wenn der Wein wunderbar zu dem Moment passt, in dem man sich gerade befindet. Ich glaube, dass aus Wein oftmals so ein Buhei gemacht wird. Ich habe lange als Sommelier in einem 3 Sterne-Restaurant gearbeitet und ich war noch nie so ein Sommelier, der so stundenlang über dem Glas schnüffelt und dann haut er mal wieder so ein Aroma raus. Also das ist nicht mein Ding.
Und ich finde, Wein muss zum Moment passen. Und das kann ganz unterschiedlich sein. Ich habe ein Jahr auf Mallorca gearbeitet und wenn man dann aufs Meer schaut und man hat die Füße im Sand und man sieht den Sonnenuntergang und hat noch ein Schätzelein neben sich. Da schmeckt einem einfach alles. Da haben wir auch Rosé getrunken und fanden ihn super. Ich glaube, wenn man den hier trinken würde, würde man sagen: „Oh Gott, was ist das für ein Wein?“. Aber da schmeckt es einfach.
Oder an Familienfesten, da muss es natürlich was ganz besonderes sein, was einen so richtig anspricht. Alle Sinne anspricht, wo man ins Gespräch kommt.
Also meinen liebsten Wein würde ich mit wunderbar beschreiben und zwar wunderbar für diesen einen Augenblick.
Wann wusstest du, dass Wein dein Thema ist?
Das kam durch meine Ausbildung beim Königshof in München. Ich werde diesen Moment auch nie vergessen. Ich habe Restaurant-Fachfrau gelernt. Und da ist man schon der Depp für alles. Ich stand da hinterm Frühstücksbuffet, hunderte von Eiern braten und dann kam der Mittagsservice. Und das war noch die Zeit, zum Jahrtausendwechsel, als die Menschen so viel Schwarzgeld hatten. Und dann wurde das mittags mal auf den Kopf gehauen. Und dann immer einfach aus der Tasche raus gezahlt. Da wurden unfassbare Weine getrunken, auch mittags schon!
Und es war ein großer Tisch da. Die hatten Wein bestellt, Romanée-Conti aus dem Burgund, der wirklich einer der Kultweine ist – wusste ich aber nicht. Und wir hatten damals einen französischen Sommelier, der auch heute noch dort arbeitet, Stéphane Thuriot. Ihn schätze ich unglaublich. Und der kam dann zu mir ans Buffet und hatte einen Probeschluck für mich und sagte: „Hier probier mal, ist nicht schlecht.“. Ich hatte ihn dann probiert und auch wenn man keine Ahnung von Wein hat und auch überhaupt nicht sensibel ist dafür, aber man hat echt gemerkt – das ist was besonderes. Das fand ich so beeindruckend. Dass Wein so etwas kann. Dass ein Getränk das kann, dass man so ins Grübeln kommt oder so überlegt: „Wow, was hab ich jetzt hier? Wo kommt das her?“ – das ist so einzigartig!
Und das war für mich der Moment, in dem ich gemerkt habe: Darüber will ich mehr wissen. Und habe dann einen enormen Ehrgeiz entwickelt, weil es mich auch interessiert hat. Dann habe ich mich schon durchgekämpft, stückweit, weil man natürlich seinen Platz finden muss. Man muss gucken, wie komme ich an die Infos dran? Was muss ich machen? Welchen Weg muss ich da gehen?
Aber das war der Schlüsselmoment: dieses Glas, dieser Schluck und dieses Erlebnis. Das war großartig.
(Obwohl, lassen wir das mit dem Schwarzgeld lieber weg.)
Du sagtest, du musstest dich da ein wenig durchkämpfen. So als völlig ahnungslose Starterin im Weinbereich, war es da für dich schwierig, die ersten Schritte zu gehen?
Am Anfang war das nicht so ganz leicht. Man muss sich schon beweisen. Und ich hätte mir gewünscht, dass ich bei der ersten ProWein4, die ich besucht habe, eine versteckte Kamera dabei gehabt hätte. Dann könnte ich mir heute nochmal den ganzen Schwachsinn anhören, den man mir erzählt hat.
Ich habe das damals so empfunden, dass das Thema Wein sehr elitär behandelt wurde. Und wenn über Wein kommuniziert wurde, es immer genau so und nicht anders ist. „Ich weiß jetzt, dass der Wein was weiß ich wie viele Punkte hat. Und in diesem Jahr gab es aber fünf Regentage weniger.“ – das sind dann immer solche Aussagen, bei denen man denkt: „Oh Gott, jetzt hab ich das nicht gewusst. Jetzt bin ich aber ein schlechter Fachmann.“ Heute wird da wirklich weniger Buhei drum gemacht. Ich finde es wichtig, wenn man über Wein kommuniziert, dass man es einladend macht. Dass man Leute einlädt, es kennenzulernen. Zu sagen: „Mensch, probier mal.“ Und es sollte Wurscht sein, was man dann sagt. Man kann nichts Falsches sagen.
Das war zu meiner Zeit noch ein bisschen anders. Da musste man erst ein gewisses Selbstbewusstsein entwickeln. Ein dickes Fell. Und da hilft es auch manchmal, dass man eine Frau ist. Weil wir Frauen uns mehr fragen trauen. Während Männer oftmals den Anspruch haben, alles zu wissen, denken wir uns, wir fragen jetzt einfach. Ich weiß jetzt etwas nicht und danach weiß ich es.
Das ist eine der Beobachtungen, die ich gemacht habe. Andere haben da vielleicht ganz andere Dinge beobachtet.
Und das war schon auch ein Kampf. Das muss man sagen. Das ist mir nicht alles zugeflogen.
Du bist Sommelière, welche Kriterien müsste ein für dich optimaler Wein erfüllen?
Also ein optimaler Wein passt wie gesagt zu dem Moment, in dem man sich befindet. Das kann ganz unterschiedlich sein. Ich habe zum Beispiel auch verschiedene Gläser zuhause. Das ist jetzt mein Ding, muss man nicht haben.
Wenn ich also ein gutes Buch lese, dann hab ich so ein Kristallglas von Theresienthal. So ein supertolles, geschliffenes Glas. Das unglaublich toll in der Hand liegt. Also das hat jetzt nichts damit zu tun, dass sie die Aromen darin so toll entfalten und noch eine Pirouette drehen. Da hat man dieses Weinglas in der Hand, das fühlt sich unglaublich gut an. Dann liest man, trinkt einen Schluck, stellt das Glas hin, muss keine Angst haben, dass wenn man vom Sofa aus dorthin langt, dass es umfällt. Und dann trink ich einen Wein, der nicht wahnsinnig komplex ist. Der einfach umschmeichelt. Das kann meinetwegen ein Primitivo sein. Oder ein Barbera. Oder ein ganz samtiger Spätburgunder, der einfach schön zu trinken ist.
Ich koche unglaublich gerne. Wenn man Gäste einlädt und man hat etwas zu feiern, dann finde ich es schon toll, wenn man mal so richtig einen raushaut. Dann gibt es mal Champagner zum Empfang und einen tollen Dessertwein zum Schluss. Eine wunderbare Auslese, die man vielleicht ein paar Jährchen im Keller hatte. Dann freut man sich darauf, dass man sie wieder rausholt, die Flasche. Vor fünf Jahren gekauft und heute ist der Tag, an dem wir sie jetzt trinken. Da ist eine unglaubliche Freude mit verbunden.
Wein muss also zum Moment passen. Und der beste Wein kann ein Wein für fünf Euro sein oder ein Wein für hundertfünfzig Euro. Das ist einfach abhängig von der Stimmung, von der Atmosphäre, in der man sich gerade befindet.
Du bist eine von drei deutschen Frauen, die den Titel „Master of Wine“ trägt. Diesen Titel zu erlangen, gilt als eine der größten Herausforderungen in der Weinwelt. Kannst du uns einmal erzählen, worum es beim „Master of Wine“ geht?
Beim Master of Wine geht es natürlich darum, ganz viel Wissen und Hintergrundwissen zu haben, um danach ganz einfach über das Thema Wein kommunizieren zu können. Man kann es ein wenig vergleichen mit einem, der Pianist wird. Am Anfang hängt man noch auf den Tasten und an den Noten. Irgendwann, wenn es so eingeübt und verinnerlicht ist, kann man richtig Musik machen. Dann beherrscht man den ganzen theoretischen Teil. Das muss vom Kopf in den Bauch kommen. Und dann kann man anfangen, richtig gut darüber zu kommunizieren. Das macht für mich den Master of Wine aus. Dass man dieses Know-How, dass man sich alles angeschaut hat. Auch differenzieren kann: Was ist wichtig? Was ist eine Information, die ich wirklich brauche? Und was ist unnötiges Expertentum? Dass man das Wissen und dadurch das Selbstbewusstsein hat, zu entscheiden: „Das ist wichtig und darauf kann ich verzichten.“
Und es geht um Weinbau, Kellertechnik. Dann ging es auch um Business of Wine, also wie der Weinmarkt funktioniert. Das ist auch hochspannend. Ich bin ja mehr auf dieser Marketingseite tätig.
Das ist unglaublich interessant, wie so ein Marketingkonzept für verschiedene Weine funktioniert. Ob das ein Gallo White Blush ist, den man mit Eiswürfeln, im Pool auf einer Luftmatratze trinkt oder eben ein Marketingkonzept für einen wahnsinnig tollen Burgunder. Wie das alles funktioniert. Das ist unglaublich spannend. Für mich war auch wichtig, zu erkennen, dass nicht immer alles mit Terroir5 zusammenhängt. Das ist auch so ein Wort, das wird immer gerne genannt. Aber manchmal ist es einfach nur Marketing.
Ein Teil ist natürlich Tasting. Da wird man sehr demütig. Das knabbert manchmal wahnsinnig am Selbstbewusstsein. Wenn man übt und macht und tut. Und dann hat man wieder so ein Zwölf-Weintasting. Dann sitzt du da und sagst: „Das ist jetzt ein Chablis!“. Und du bist dir so sicher und du könntest wirklich dein Haus verwetten und deinen Mann verkaufen. Und dann kommt raus, es ist Sancerre. Eine ganz andere Rebsorte. Und man denkt: „Mein Gott, in zwei Wochen habe ich Prüfung. Und ich kann das nicht mal auseinanderhalten.“ – da wird man sehr demütig. Und das ist echt ein Trip. Man muss sich immer wieder aufraffen und es probieren. Das ist ein Lernprozess, immer an die Grenzen zu gehen und wenn man dort angekommen ist, darüber hinaus. Das macht für mich den Master of Wine aus. Eine unglaubliche Bereicherung für einen persönlich. Eine tolle Erfahrung. Ich möchte es zwar nicht nochmal machen. Ich bin froh, dass ich fertig bin, aber im Rückblick muss ich sagen, es war sensationell.
Wenn du an einen Wein rangehst, wie ist deine Haltung, also die Ausgangslage?
Die Ausgangslage ist: „Hallo!“. Also die Frage: Was haben wir denn da? Das ist für mich die Ausgangslage und dann zu sehen, für wen ist dieser Wein gemacht, von wem ist dieser Wein gemacht. Und dann verkosten: Geht das an mich? Dann natürlich auch der technische Anteil. Sind da vielleicht Fehler? Ist etwas nicht so gut gelungen? Und in der Schlussplatzierung wieder die beiden Fragen: Von wem und für wen ist der Wein gemacht?
Du hast ein Buch mit dem Untertitel „Das ultimative Weinbuch nur für Frauen“ geschrieben. Worum geht es in „Von wegen leicht und lieblich“?
Ich wollte mich einfach austoben. Ich wollte einfach Weinwissen ganz locker, leicht und flockig und auch meine Erfahrungen zusammenbringen. Wann welcher Wein passt, zu was welcher Wein passt. Wir hatten verschiedene Marktstudien analysiert und da gibt es eine tolle Genderstudie von der Uni Geisenheim. In der stand, dass Frauen anders Wein trinken als Männer. Das ist zwar sehr plakativ, aber gehört dazu. Manchmal muss man polarisieren.
Was mehrere Studien herausgefunden haben, ist, dass Frauen für Anlässe Wein kaufen, um den Wein mit Freunden zu teilen. Es geht da weniger um Prestige. Auch das Labeldesign spielt eine große Rolle. Frauen kaufen pragmatischer ein. Also wenn eine Frau gerade den Einkauf im Supermarkt erledigt, dann sieht sie eine Flasche, denkt sich, dass sie gut aussieht und dann wird sie in den Einkaufskorb gelegt. Frauen trauen auch eher ihrem Geschmack.
Dazu eine kleine Geschichte: Ich war mit einer anderen Master of Wine-Kollegin in Peking und wir haben diese Gambero Rosso-Verkostung gemacht. Dort werden drei Gläser der besten Weine überhaupt verkostet. Wir hatten ein Diner, das war alles unheimlich elegant. Und dann kam eine Tanninbombe nach der anderen. Uns hing schon die Zunge raus. Und am Schluss kam dann noch so ein Moscato. Das ist ein ganz blumiger Wein, richtig schön fruchtig, leicht bitzelnd. Und wir beide haben gleichzeitig gejauchzt: „Hach, Moscato!“. Und uns dann umgeschaut, um zu prüfen, ob das irgendjemand gehört hat. Und danach dachten wir: „Klar reagieren wir so. Wir lieben das einfach.“.
Ich glaube, dass Frauen generell mehr frei heraus sagen: „Ja, das schmeckt mir! Und ob da „feinherb“ draufsteht oder „Hello Kitty Rosé“ ist mir grad Wurscht. Ich trink das jetzt einfach.“. Da ist nicht so dieser Status dahinter.
Und dann haben wir dieses Konzept entwickelt. Da geht es einfach um einen Einblick in die Weinwelt. Auch darum, was Frauen in der Weinwelt bewegen. Da hat sich auch viel getan. Aus der Weinwelt waren die Frauen am Anfang ausgeschlossen. Und es geht um Rebsorten, Anlässe – zum Beispiel: der beste Wein gegen Liebeskummer ist Champagner. Am Ende haben wir ganz tolle Weinfrauen interviewt, die wirklich etwas in der Weinwelt bewegen. Und das wird vielleicht auch einige Leserinnen inspirieren, ihren Weg in die Weinwelt zu finden. Es ist wirklich spannend, wie viele Positionen die Weinwelt bereithält. Ein ganz tolles Berufsfeld.
Du sagtest, es war nicht immer leicht für Frauen in der Weinwelt. Inwieweit hat sich das verändert?
Es hat sich sehr positiv verändert. Da haben sich ganz viele Entwicklungen abgespielt. Als Winzerin war früher immer Thema, dass die Arbeit körperlich so schwer war. Heute gibt es Maschinen, Geräte, die die Arbeit unglaublich erleichtern. Damit ist es heute selbstverständlich, dass auch Frauen den Betrieb übernehmen. In den anderen Bereichen haben wir Frauen uns auch ganz toll weiterentwickelt. Im Buch führe ich auch ein Interview mit Maggie Henriquez, der Chefin von Krug-Champagner, einer der wahnsinnigsten Champagner. Sie kommt aus Mexiko und sie hat als Mexikanerin einen Traditionsbetrieb als Chefin übernommen. Das ist eine riesige Herausforderung gewesen, sich da durchzusetzen. Und einen Satz, den sie zu mir gesagt hat, fand ich besonders toll: „Wir Frauen müssen unsere Töchter nicht so erziehen, dass sie immer geliebt, sondern respektiert werden wollen.“.
Und die Entwicklung hat zwei Seiten: einmal, wie offen ist die Weinwelt für Frauen und wie füllen Frauen dann ihre Positionen aus. Und aus meiner Sicht, ist es heute kein Thema mehr: Frauen in der Weinwelt. In den letzten 50 Jahren hat sich da wirklich viel getan.
Hast du Erfahrungen gemacht, die nur Frauen in deiner Position machen würden?
Ich habe ja als junge Frau eine Chef-Sommelier-Stelle übernommen. Da wurde man oft nicht so ernst genommen. Das kann aber auch am Alter liegen. Also da kommt dann so eine junge Frau mit Weinkarte und will dann einem Sammler erzählen, ob jetzt der Wein oder der Wein. Ich weiß nicht, ob das alleine an der Weiblichkeit liegt. Ich muss auch sagen, dass man als Frau in dem Job auch Vorteile hat. Damit kann man auch spielen. Als Frau kann man sich wunderbar blöd stellen und dann köstlich amüsieren. Ich gehe ab und zu in den Weinladen und sage: „Ich brauche einen Wein für heute Abend. Mein Mann schickt mich.“ – das kommt super. Auch im Restaurant hat man Gäste, die ganz fürchterlich falsche Dinge sagen. Eigentlich ist mir sowas egal, aber wenn man sich schon so hinstellt, wie ein Pfau und einen raushaut, dann sollte das schon sitzen. Das kann man auch sehr gut abfangen mit „Ach ja wirklich?“.
Inwieweit wären die Erwartungen an dich und deine Arbeit andere, wärst du ein Mann?
Ich glaube gar nicht. Das kann man nicht mehr so sagen. Da gibt es keine unterschiedlichen Erwartungen.
Weine werden häufig mit feminin oder maskulin beschrieben. Was meinen die beiden Begriffe?
Das stört mich immer ein bisschen, weil feminin dann eher für die leichten, lieblichen, weniger ernstzunehmenden Weine steht, die sofort zu trinken sind und die maskulinen Weine sind dann eher die ausdrucksstarken, die auch Lagerpotential haben. Für mich ist das eine blöde Begrifflichkeit in der Weinbeschreibung. Da muss man sich jetzt mal etwas Mühe machen und das ganze anders beschreiben.
Glaubst du, es gibt Unterschiede in der Art wie Männer und Frauen Wein an- und ausbauen?
Das glaube ich nicht. Ich glaube der Weingeschmack hängt nicht am Geschlecht, sondern daran, wie oft jemand Wein trinkt und wie sehr man sich damit beschäftigt. Wir alle kennen ja die Entwicklung, dass man während der Studentenzeit Lambrusco und Asti trinkt, süß und pappig. Damit fängt man an und je mehr man sich dann damit beschäftigt, desto mehr prägt sich der Weingeschmack aus und am Ende landet man dann beim feinsten Pinot Noir. Das ist das Ende. Wenn man bei Pinot Noir angekommen ist und das wirklich verstanden hat, dann ist man wirklich oben angekommen in seiner Erfahrungslaufbahn.
Dass Frauen eher zu leichten, fruchtigen Weinen tendieren, wenn man sich die Statistik anschaut, hängt auch damit zusammen, dass Frauen weniger häufig Wein trinken. Als Winzerin ist man ständig mit seinem Produkt beschäftigt, vergleicht sich bestenfalls auch mit anderen Winzern und verkostet Weine aus aller Welt und sucht dann seinen Stil, den man auch zeigen möchte. Entscheidet sich für die Art, wie man sein Terroir interpretieren möchte. Und da ist es völlig egal, ob man Mann oder Frau ist.
Warum braucht es ein Weinbuch speziell für Frauen?
Ich habe die Erfahrung gemacht, dass Frauen im Weinbereich doch ein bisschen anders ticken. Was das Kaufen angeht. Während Männer nach Parker-Punkten kaufen und das ein wirkliches Freizeitvergnügen ist, samstags in den Weinladen gehen und sich beraten lassen. Das ist toll, wunderbar. Frauen ticken da anders. Sie kaufen pragmatisch. Frauen trinken etwas weniger häufig und trinken doch gerne weiß, leicht und fruchtig.
Und in der Weinwelt selbst habe ich die Erfahrung gemacht, dass Frauen unkomplizierter damit umgehen. Fragen, wenn sie etwas nicht wissen. Vielleicht nicht so Opfer ihres eigenen Egos sind.
Und deshalb brauchen wir ein eigenes Weinbuch. Weil Anlässe für Frauen wichtig sind, wenn sie Wein kaufen und auch das spielt auch eine große Rolle in meinem Buch.
Wer sollte dein Buch kaufen?
Natürlich Frauen, die an Wein interessiert sind und einfach ganz unkompliziert viel Hintergrundwissen erfahren möchten. Aber auch die Männer sind herzlich eingeladen, wenn sie sich von dieser unkomplizierten und fröhlichen Art, über Wein zu sprechen, auch angesprochen fühlen.
Weinwissen eröffnet einem ganz neue Welten in dem Weingenuss. Weinwissen ist wie Mosaiksteine sammeln. Es ist ja nicht so, dass ich einmal ein solches Buch von A bis Z lese und dann weiß ich alles. Sondern es ist, wie Steinchen sammeln. Dann wird das Bild immer bunter und größer und vielfältiger. Und das Buch ist ein Mosaikstein, der dazu beiträgt, dass sich die Weinwelt für den Leser öffnet. Macht Lust darauf, Dinge auszuprobieren, neue Erfahrungen zu sammeln. Es ist ein Tool für alle, die die Weinwelt entdecken wollen.
Wo sind wir hier gerade, während wir das Interview führen?
Wir sind in Franken, in Bayern. Wie man an der Flasche auf dem Tisch schon erkennen kann [zeigt auf den Bocksbeutel6]. Ich komme aus Bayern und dann ist das einfach die Region, die einem sehr am Herzen liegt. Wir sind hier beim Weingut Wirsching, auch weil ich Andrea Wirsching, die das Weingut leitet, sehr gut kenne. Hier war gestern eine Veranstaltung. Sie hat den ersten koscheren Silvaner präsentiert. Es war auch der Herr Schuster vom Zentralrat der Juden da. Das war ein tolles gesellschaftliches Ereignis, diesen Wein zu präsentieren. Für mich ist Wein nicht nur ein Getränk, sondern er repräsentiert auch unglaublich eine Kultur. Ich interessiere mich sehr für das Thema deutsch-israelische Freundschaft. Ich habe im Studium viele Israelis kennengelernt und habe viele Freunde in Israel. Wir in Deutschland mit unserer Geschichte, da ist es wichtig, dass man heute nicht nur an die Geschichte denkt, sondern auch Bande in die Zukunft knüpft und zwar Freundschaft. Das ist mit einem Glas Wein, zu dem man sich hinsetzt, ins Gespräch kommt, wo man sofort eine gemeinsame Gesprächsgrundlage hat, was alle sofort vereint, einfach.
Romana, vielen Dank für deine spannenden Antworten und die Einblicke in ganz unterschiedliche Bereiche der Weinwelt.
BEGRIFFSERKLÄRUNGEN 1 – Master of Wine: Ein Titel, der nach erfolgreicher Ablegung der nichtakademischen Prüfung am Institute of Masters of Wine verliehen wird. Das IMW ist eine in der internationalen Weinwelt renommierte private Bildungsstätte mit Sitz in London. 355 Menschen dürfen das Kürzel MW hinter ihrem Namen tragen. Die Ausbildung dauert zwei Jahre und umfasst verschiedene Seminare und das Verfassen einer schriftlichen Ausarbeitung. Nur etwa 30% der Kandidaten und Kandidatinnen bestehen alle Prüfungen. 2 – Chablis: Das nördlichste Anbaugebiet im Burgund (FR). Typisch: fruchtige, trockene Chardonnay mit frischer Säure, auf Kalksteinhängen angebaut. 3 – Pomerol: Ein Weinanbaugebiet im Bordelais (FR). Typisch: Merlot und Cabernet Franc, auf Kies-Lehm-Böden angebaut. 4 – ProWein: „Die ProWein ist die Weltleitmesse für Wein und Spirituosen, der größte Branchentreff für die Fachleute aus Anbau, Erzeugung, Gastronomie und Handel.“, sagt ProWein über sich selbst. Ist auch wirklich so. Drei Tage im März in Düsseldorf. 5 – Terroir: Ein Begriff, der in der Weinsprache ständig genutzt wird, aber nur wage definiert ist. Es hat etwas mit dem Boden zu tun, aber nicht mit dem Ackerboden alleine. Es steht mehr für den Ursprungsort mit all seinen Eigenschaften: Boden, Klima, kulturelle Weinbergspflege und für die Region typische Herstellungsprozesse. 6 – Bocksbeutel: Für den Wein aus dem Anbaugebiet Franken typische Flaschenform. Nur Weine mit Mindestmostgewicht von 72 Grad Oechsle und einer Bewertung von 2,0 oder besser bei der amtlichen Qualitätsweinprüfung dürfen in einen Bocksbeutel gefüllt werden. Sieht aus, wie eine flachgedrückte Kugel.
Marie ist Winzerin. Ihr Wein- und Sektgut Motzenbäcker liegt in Deidesheim. Erst spät hat sie gemerkt, dass sie die Leidenschaft ihrer Eltern für Wein, Sekt und den ökologischen Anbau in sich trägt und seitdem experimentiert sie. Ihre Mutter nennt sie „Die Hefenschamanin“. Sie liebt, was sie tut und wir tun es auch. Marie ist in einen traditionsreichen Betrieb hineingeboren. Wie schafft man es, als junge Frau und Tochter in einem Weingut seine eigene Linie zu finden?
Wer bist du?
Hallo, ich bin Marie Menger-Krug aus Deidesheim. Ich mache Wein und Sekt und liebe es.
Wie ist deine Verbindung zu Wein?
Meine Verbindung zu Wein…also meine Eltern haben mich Marie-Christine genannt, nach Methode-Champenoise1, deshalb ist das Thema Wein wahrscheinlich intravenös in meine Adern übergegangen. Ich hab die Leidenschaft von meinen Eltern übernommen und bin zwar eher später darauf gekommen, selbst Wein zu machen, aber habe 2002 angefangen in Geisenheim zu studieren. 2006 habe ich meinen Ingenieur gemacht und seitdem bin ich zuhause. Und habe viele Ideen, einen Methode Rurale2 und auf ökologische Produktion umgestellt. Ich liebe Hefen, ich liebe das Terroir3 von den einzelnen Weinen.
Welche ist deine liebste Rebsorte?
Meine liebste Rebsorte? Riesling! Ich bin ein Riesling-Kind. Wobei Weißburgunder ist auch immer schön, sehr elegant und für mich femininer. Aber Riesling hat für mich einfach so ne enorme Bandbreite. Mein Lieblingsriesling, kommt von nem sehr schweren Tonboden. Und der ist richtig opulent, voll, hat Kräuter. Man kann das gar nicht benennen, welche Frucht er wirklich hat. Aber ich mag auch sehr die Kalksteine, die Mineralik.
Mit welchen drei Worten würdest du deinen absoluten Lieblingswein beschreiben?
Sauvignon Blanc Rurale – nein! Prickelnd, fruchtig und trotzdem sehr viel Nachhall.
Wo sind wir hier?
Wir befinden uns hier in Deidesheim, in der Villa im Paradies. Hier ist das Weingut und Sektgut Motzenbäcker. In einem wunderschönen alten Park mit alten Kastanienbäumen. Alle, die das lesen, sind herzlich gerne eingeladen zum Sommerfest Ende Juni. Nebenan die wunderschönen Lagen Deidesheims, der Paradiesgarten und der Ruppertsberger Reiterpfad. Und man hat die Hardt im Westen als schützenden, natürlichen Wall. Und die Rheinebene vor sich. Also das ist die Toskana von Deutschland, würde ich sagen.
Warum ist der Keller einer der Lieblingsorte?
Ich glaube, jeder kann sich glücklich schätzen, so einen Barrique-Keller zu haben. Ich liebe auch diese neuen Betonbauten, aber so ein Keller ist einfach ein absolutes Geschenk. Sommer wie Winter haben wir die gleiche Temperatur und da lagern unsere besten Rotweine und haben Zeit. Zwei Jahre, vier Jahre – solange sie eben brauchen. Und seit 2007 auch unsere Mondeichenfässer, die wir selbst für uns haben machen und nach dem Wissen von damals nach dem ersten Vollmond einschlagen lassen. Da reifen ein Riesling und ein Chardonnay. Mondeichenweine.
Welche Bedeutung hat der Keller für dich?
Wie viel Zeit haben wir? Ich liebe den Keller. Er ist zeitlos. Man erlebt so viel Gefühl, Passion, Lebendigkeit von den Weinen. Ich begleite sie vom Traubensaft bis hin zum fertigen Wein und kenne jedes meiner Kinder. Ich weiß, welcher Wein ein bisschen Schwäche hat und probiere die Weine im Keller jeden Tag. Es sind einfach so viele Emotionen in diesem Keller. Und es ist ruhig. Man hat nicht so viele fremde Menschen. Das finde ich auch super. Und man hat viel zu trinken.
Du bist in einen Traditionsbetrieb hineingeboren und schreibst die Familiengeschichte jetzt auf deine ganz eigene Weise weiter. Wann wusstest du, dass du deine eigene Sekt- und Weinlinie machen möchtest?
Relativ spät, ich war also mehr oder weniger eine Quereinsteigerin. Aber das finde ich auch wichtig, weil man so die Weinwelt mit anderen Augen sieht. Man ist nicht so verbohrt in das, was schon immer war. Ich hab Neuseeland gesehen, ich hab Südafrika gesehen – nicht nur die Weine dort, sondern auch die Stimmung. Wie das Weinmachen angegangen wird. Und wie viel Respekt man auch gegenüber dem Weinmachen haben muss. Aber das meiste habe ich von meinen Eltern gelernt. Ein Dank hierfür! Es kommt mit der Zeit. Das ist Gefühlssache für mich, ganz viel Gefühlssache. Meine Sektlinie steht jetzt seit einem halben Jahr. Und ich bin absolut begeistert. Natürlich ist es nicht nur die Sektlinie, die steht, sondern auch die Qualität. Wir haben mit der Natur gearbeitet, das ist mir wichtig. Ich habe wirklich die besten Trauben genommen. Nach bestem Willen und vielen Dosageproben4 haben wir die Sektlinie hingestellt. Die Ausstattung passt perfekt. Ich habe extra die Flaschenform geändert, weil ich nicht mehr diesen femininen Stil haben, sondern mit wirklich bodenständigen Charakteren arbeite wollte. Und das will ich auch weiterhin ausbauen. Ja, es ist meine Passion und meine Leidenschaft, die ich fast mit in die Wiege bekommen habe.
War es schwierig, eine neue Identität für deine eigenen Weine zu schaffen?
Es ist keine neue Identität. Es ist nur eine Weiterentwicklung meiner Eltern. Ich habe die Werte meiner Eltern übernommen, mit denen ich aufgewachsen bin und ihre bereits sehr hohen Qualitätsstandards einfach weiterentwickelt, persönlicher und facettenreicher gemacht. Wieder Mehr auf die Lagen, auf die Hefen, auf alles Acht gelegt.
Wie unterscheidet sich deine Philosophie von der deiner Eltern und wo überschneiden sich Ansätze für Anbau und Ausbau?
Ich bin froh, dass meine Eltern so jung, dynamisch und für alles offen sind. Sie haben schon immer mit der Natur gearbeitet. Sie haben also eigentlich alles schon genau so gemacht, was ich hätte umstellen wollen, als ich von der Weinschule Geisenheim gekommen bin. Aber solche Sachen wie Methode Rurale und mehr Lagenweine ausbauen – das ist das, was mein Spaßfaktor ist.
Hast du Erfahrungen gemacht, die nur Frauen in deiner Position machen würden?
Ich weiß nicht, ob es die Frau ist oder die Persönlichkeit an sich. Ich weiß, dass die Trauben feinsinniger probiert werden. Es wird detailgetreuer gearbeitet, denke ich. Es wird höflich gearbeitet. Der Umgang ist vielleicht höflicher zwischen Frauen. Aber ansonsten sind wir relativ auf gleichem Level, würde ich behaupten.
Glaubst du, die Erwartungen an dich und deine Arbeit wären andere, wärst du ein Mann?
Keine Ahnung, ehrlich gesagt. Ich glaube, es kommt mehr auf die Person selbst an. Ich wurde nie als Prinzessin erzogen und die werde ich wahrscheinlich auch nie sein.
Als du zurückgekommen bist, hast du wahrscheinlich erstmal eine Zeit lang zusammen mit deinem Vater gearbeitet. Arbeitet ihr immer noch zusammen?
Genau, ich arbeite immer noch zusammen mit meinem Vater. Das ist auch ein großes Geschenk. Er mit seiner Erfahrung und ich mit meinem jugendlichen, naja, nicht mehr ganz so jugendlichen Denken. Das ist eine super Symbiose. Aber solche Sachen wie die Marie5, das ist jetzt absolut mein Baby. Ich liebe Riesling und ein bisschen Weißburgunder und ein solches Cuvée hat mein Vater nicht auch nur annähernd probiert. Weil das für ihn einfach ein No-Go ist. Das war damals nicht so, mit den Cuvées. Man kommt einfach neu dazu und ich denke schon, dass das ein frischer Wind ist.
Bist du das einzige Kind?
Ich hab noch eine ältere Schwester. Sie ist Doktor der Naturwissenschaft und ich bin sehr stolz auf sie. Wenn jemand mal die Welt verbessert, ist es meine Schwester. Sie forscht mit Algen und hat in Indien Toiletten gebaut. Sie ist auf jeden Fall auf der Umweltschiene unterwegs. Ich kann sie alles fragen über Pflanzen, Boden – sie gibt mir das Know-How von einer ganz anderen Seite. Und sie trinkt nicht so viel Wein. Das ist ganz gut. Dann bleiben die Keller voll.
Deine Eltern haben zwei Töchter bekommen. Gab es jemals die Frage: „Zwei Töchter, kein Sohn – ist da überhaupt jemand, der den Betrieb übernehmen kann?“.
Diese Frage kommt ganz viel von außerhalb. „Ach Gott, der arme Herr Menger-Krug hat nur zwei Töchter.“ – diesen Spruch kann ich schon gar nicht mehr hören. Ich hab drei Söhne. So viel dazu. Und jeder sagt: „Ach, Gott sei dank, die Traktorfahrer sind wieder da!“. Aber ich kann selbst Traktor fahren. Meine Eltern haben es mir immer offen gelassen, ob ich den Betrieb weiterführen möchte. Also totaler Schwachsinn – heutzutage!
Und woher kommt deine bereits erwähnte Faszination für Hefen?
Also die Hefen waren schon immer meine Leidenschaft. Ich hab eben auch die Möglichkeit bei uns im Betrieb, Versuche zu machen. Ich nenne es immer die Kellerspielereien. Du musst dich ausprobieren und einfach unterschiedliche Hefen benutzen, um zu gucken, wie der Wein drauf reagiert. Ich liebe die Spontangärung. Jeder gesunde Weinberg hat eine ideale Hefeflora auf den Trauben. Alle Weine in unserem Keller sind spontan angegoren. Also drei Tage auf jeden Fall spontan, bevor ich entscheide, dass… Ich mache eben sehr viel über probieren und probiere die Weine auch wirklich jeden Tag, jeden zweiten Tag. Ich finde, dass die Weinberge selbst so viel Charakter haben. So viel Individualität, dass man sie gar nicht cachieren muss mit der Frucht oder sonstigem. Bei den großen Weinen – da kommen bei mir eigentlich keine Hefen dran.
Eines deiner Herzensprojekte ist der Rurale. Erzähl uns etwas mehr dazu.
Die Methode Rurale habe ich im Studium kennengelernt – wieder zurück zu den Anfängen. Sekt entstand einfach durch einen Zufall, durch eine Nachgärung. Die Winzer hatten früher keine Möglichkeit, die Weine zu lagern oder sie mit Schwefel lagerbar zu machen. Die Hefen mögen keine Kälte. Zum Winter hin wurden die Hefen inaktiv und im Frühjahr haben sie wieder angefangen zu gären. Deswegen sind eben alle Fässer geborsten, die Flaschen zerbrochen. So ne Flasche hält 6 bar Druck aus. Ein Autoreifen 2,5. Man muss sich vorstellen, was die Gärung für eine Faszination ist. Sie haben es erst als Teufelswein bezeichnet und wussten gar nicht, was sie damit anfangen sollen. Dann haben sie es probiert und das sind die Ursprünge des Sektes und das finde ich so wunderbar. Weil die Natur so viel stärker als die Menschen ist, die in ihr wohnen. Durch einen großen Zufall dieser Welt ist der Sekt entdeckt worden. Das habe ich in Geisenheim zum ersten Mal gehört und habe dann die Qualitätsansprüche meiner Eltern damit kombiniert. Und daraus ist die Methode Rurale entstanden. Seit 2007 existiert meine erste richtige Linie – ich habe einen Riesling und einen Chardonnay. Für mich ist es einfach ein unglaubliches Getränk. Der Methode Rurale muss immer aus Weingläsern getrunken werden, weil er einfach so viele Primäraromen6 hat, so viel Traubenaroma wird eingefangen und diese zarte, feine Kohlensäure. Mit dieser wunderschönen Mousseux7. Für mich sind das wunderschöne Jahrgangssekte.
Du hast deinen Markenauftritt gerade neu gestaltet. Wie bist du vorgegangen?
Ich weiß, dass Farben mir ganz viel bedeuten. Ich beschreibe Weine immer sehr gerne mit Farben und deswegen habe ich auch glaube ich gefühlte 35 unterschiedliche Farben ausgesucht. Für jeden Sekt, jeden Wein eine andere Farbe. Ich finde, das hilft den Menschen auch am besten zu verstehen, wie meine Weine schmecken. Auch die Kapseln haben wieder die gleiche Farbe wie die Etiketten und die Agraffen8 sind jetzt gekommen. Und alles mit sehr vielen Sternen. Ich glaube, das ist wieder diese Detailverliebtheit. Dass der Abriss mit Sternen gekennzeichnet ist. Das sind einfach so Kleinigkeiten, die vielleicht nicht jeder direkt benennen kann, aber bei denen ich weiß, das muss einfach so sein. Denn meine Sekte haben es verdient, so eine schöne Ausstattung zu haben.
Und fühlst du dich voll widergespiegelt in der Gestaltung, wie sie jetzt ist?
Ja, wie gesagt, sogar die Flaschenform habe ich umgestellt. Weil sie mir einfach zu feminin, zu zart war. Und ich will Weine machen, die viel Ausdruck haben. Sehr viel Nachhall und Tiefe haben. Und ein paar Ecken und Kanten.
Vielen Dank, Marie. Wir freuen uns auf viele weitere spannende Weine und Sekte aus deinem Keller.
BEGRIFFSERKLÄRUNGEN 1 – Methode Champenoise: Klassische Methode zur Sektherstellung. Kohlensäure entsteht durch eine zweite Gärung in der Flasche. 2 – Methode Rurale: Methode zur Sektherstellung. Es findet keine zweite Gärung statt, sondern die erste Gärung wird unter Druck beendet. Entweder im Drucktank oder in der Flasche. 3 – Terroir: Ein Begriff, der in der Weinsprache ständig genutzt wird, aber nur wage definiert ist. Es hat etwas mit dem Boden zu tun, aber nicht mit dem Ackerboden alleine. Es steht mehr für den Ursprungsort mit all seinen Eigenschaften: Boden, Klima, kulturelle Weinbergspflege und für die Region typische Herstellungsprozesse. 4 – Dosageprobe: Mit dem Zugeben der Dosage (zuckerhaltige Flüssigkeit) wird bestimmt, wie viel Restsüße der Sekt am Ende hat. 5 – Marie: Frauenname und ein Cuvée aus Riesling und Weißburgunder. Gibt’s hier. 6 – Primäraromen: Die Aromen, die die Traube an sich trägt. 7 – Mousseux: Die Perlage. Also Form und Größe der Blubber im Sekt. 8 – Agraffen: Die Drahtbügel, die den Sektkorken sichern.
Maries Weine und Sekte könnt ihr ab sofort bei uns bestellen.