Der Klimawandel ist für die Landwirtschaft schon längst kein abstraktes Konzept mehr, sondern bittere Realität. Für Winzer*innen macht sich dieser Umstand auf mehreren Ebenen bemerkbar. Steigende Temperaturen und höhere Sonneneinstrahlung führen zu immer höheren Zuckerwerten in der Traube und damit zu mehr Alkohol im Wein. Das klingt erst mal nicht verkehrt, ist aber nur bis zu einem bestimmten Punkt gut. Ein leichter Weißwein braucht einfach keine 15 % Vol. Alkohol. Im gleichen Zuge sinken die Säurewerte, wodurch den Weinen Frische fehlt und die Lebensdauer verkürzt wird. Zusätzlich steigen dadurch auch die pH-Werte, was insbesondere Rund um die Gärung sehr problematisch sein kann. Doch der Klimawandel führt nicht nur zu steigenden Temperaturen. Er wirbelt das komplette Wetter-System durcheinander. Extreme Ereignisse wie Hagel und Sommerstürme treten häufiger auf und die Schwankungsbreite der Temperaturen innerhalb der Jahreszeiten ist größer. In den letzten Jahren war es häufig im Frühjahr schon sehr warm, was zu einem frühen Austrieb der Reben geführt hat. Gleichzeitig sind relativ spät im Jahr noch Fröste aufgetreten. Eine tödliche Kombination.
Generell gesprochen sind Reben keine allzu empfindlichen Pflanzen. Sie wachsen auf nahezu jedem Untergrund, überstehen auch kalte Winter mit Temperaturen bis minus 25 °C und lassen sich in Deutschland genauso gut kultivieren wie in Italien, Chile oder Australien. Es gibt allerdings Phasen, in denen die Rebe anfällig für Schädigungen von außen ist, z.B. im Frühjahr, rund um den Austrieb. Die Rebstöcke werden im Winter komplett zurückgeschnitten, sodass nur noch ein bis zwei Äste am Kopf des Knorzes stehen bleiben. Aus diesen Ästen, genannt Bugreben, wachsen die neuen Triebe, an denen später auch die Trauben hängen. Sind die Triebe noch sehr klein, können sie durch Frost absterben. Das bringt die Rebe zwar nicht unbedingt um, kann aber zum kompletten Ernteausfall führen und hat zusätzlich Auswirkungen auf das Folgejahr. Für Winzer*innen also eine absolute Katastrophe!
Über die letzten Jahre hat der Frost immer wieder verheerend zugeschlagen und auch in 2021 gibt es schon die ersten Opfer, vor allem in Frankreich, Norditalien und im Markgräflerland. In der Touraine sind bis zu 70% der Reben betroffen, an der Rhône, im Chablis und im Beaujolais sogar 80-90%. Alleine die Vorstellung, über Nacht 90% der Jahresproduktion zu verlieren, jagt uns Schauer des Entsetzens über den Rücken. Um die Reben vor Frostschäden zu schützen, greifen die Winzer*innen tief in die Trickkiste. Schon ein halbes Grad Unterschied kann über Rettung oder Totalverlust entscheiden und darum lohnt es sich zu kämpfen.
Beim Kampf gegen den Frost gibt es unterschiedliche Ansätze. Der technisch einfachste und gleichzeitig brachialste: Feuer. Um die Temperatur im Weinberg zu erhöhen, entzünden die Winzer*innen alle paar Meter kleine Feuer oder auch eimergroße Weichwachskerzen. Das sieht spektakulär aus, ist aber unglaublich teuer und nicht gerade umweltschonend. Etwas eleganter sind da schon in den Drahtrahmen eingezogene Heizdrähte. Allerdings ist hier der Material-, Wartungs- und Stromaufwand immens.
Generell sind die Kosten häufig der entscheidende Faktor. Kleine Betriebe können sich die aufwendigen technischen Anlagen teilweise einfach nicht leisten. Ein plakatives Beispiel dafür sind Helikopter. Diese werden eingesetzt, um über den Weinbergen zu kreisen und so die kälteste Luftschicht am Boden mit wärmerer Luft aus höheren Schichten zu verwirbeln. Dieser Grundgedanke wird auch andersrum weiter gesponnen, mit sogenannten Invertern. Dabei handelt es sich um Turbinen, die kalte Luft vom Boden ansaugen, das Wasser entziehen und nach oben ausblasen.
Eine weitere Technik ist aus dem Obstbau entlehnt und wirkt erst mal kontraproduktiv. Hierbei werden die Reben beregnet, sodass sich eine dünne Eisschicht bildet. Das Wasser erwärmt sich beim Gefrieren leicht, sodass unterhalb des Eises konstante Temperaturen nahe dem Gefrierpunkt herrschen. ‚Warm‘ genug, damit kein Schaden entsteht. Knackpunkt bei dieser Methode ist das Wasser, denn es braucht immense Mengen, um die Bewässerung konsequent einzusetzen.
Es gibt also durchaus Möglichkeiten, Frostschutz zu betreiben. Allerdings sind diese aufwendig, teuer und auf lange Sicht nicht förderlich. Dementsprechend setzt bei den Weinbauern ein Umdenken ein, sodass nachhaltige Wirtschaftsweisen immer populärer werden. Wir drücken die Daumen für die anstehenden Eisheiligen und hoffen auf ein gutes Jahr 2021.