Das Winzerjahr hat nicht wirklich Anfang oder Ende – es ist ein sich ständig wiederholender Kreislauf mit mehr oder weniger großen Variationen. Was allerdings einen Startpunkt hat, ist die Vegetationsperiode der Reben. Das erste Anzeichen für den Beginn ebendieser ist das Bluten der Reben.
Die Rebstöcke werden im Winter, meist Januar und Februar, komplett zurückgeschnitten. Stehen bleiben nur der Knorz und ein-zwei Äste, genannt Bugrebe. Diese wird zum passenden Zeitpunkt runter gebogen und am Drahtrahmen fixiert. Aus der Bugrebe wachsen die neuen Triebe, welche später die Trauben tragen werden.
Erwärmt sich im Frühjahr der Boden, beginnen als erstes die Wurzeln der Rebe wieder zu arbeiten. Sie nehmen Wasser auf, was zu dieser Jahreszeit reichlich verfügbar ist. Damit kommt der “Kreislauf” der Pflanzen wieder in Schwung, eingelagerte Nährstoffe werden aus dem Altholz in die Extremitäten transportiert und so der Austrieb vorbereitet. An den Schnittkanten des Rebschnitts tritt dieser Rebsaft aus und bildet die sogenannten Rebtränen. Oder anders gesagt – die Reben bluten.
Der Vergleich zum Blut ergibt durchaus Sinn, denn es ist nicht nur eine Flüssigkeit die an einer Verletzung austritt, sondern sie hat auch eine ähnliche Funktion wie bei Mensch und Tier. Die Rebtränen wirken desinfizierend und schützen so die Rebe vor Infektionen (ja, das kann passieren!). Außerdem verschließen sie die Schnittwunden. Tatsächlich haben sie auch eine medizinische Wirkung wie beim Menschen, z.B. bei Hautkrankheiten.
Es ist ein wunderschöner Anblick, wenn in den ersten Sonnenstrahlen des Frühjahrs tausende kleine Rebtränen im Weinberg glitzern. Für den Winzer zeigen sie auch an, dass wieder Schwung in die Pflanze kommt und es Zeit zum Biegen wird, denn nun ist die Bugrebe wieder geschmeidig. Das Zeitfenster für diese Arbeit ist relativ schmal, denn sie muss vor dem Austrieb erledigt sein. Andernfalls läuft man Gefahr die kleinen Triebe beim Anbinden abzubrechen, was sich später in einem Mengenverlust niederschlägt.
Dieses Jahr sind die Reben übrigens vergleichsweise spät dran, da die Witterung bisher sehr kühl war. Das hat den Vorteil, dass mit dem späteren Austrieb die Gefahr von Frostschäden sinkt. Gleichzeitig ist jetzt schon abzusehen, dass es eine recht späte Lese geben wird, denn die Länge der Vegetationsperiode ist konstant. Es ist also wie immer spannend. Drücken wir die Daumen für ein gutes Jahr!
Das Bild hat uns die wunderbare Doro Wörner zur Verfügung gestellt, geschossen in ihren Weinbergen in Rheinhessen.