Marie ist Winzerin. Ihr Wein- und Sektgut Motzenbäcker liegt in Deidesheim. Erst spät hat sie gemerkt, dass sie die Leidenschaft ihrer Eltern für Wein, Sekt und den ökologischen Anbau in sich trägt und seitdem experimentiert sie. Ihre Mutter nennt sie „Die Hefenschamanin“. Sie liebt, was sie tut und wir tun es auch. Marie ist in einen traditionsreichen Betrieb hineingeboren. Wie schafft man es, als junge Frau und Tochter in einem Weingut seine eigene Linie zu finden?

Wer bist du?
Hallo, ich bin Marie Menger-Krug aus Deidesheim. Ich mache Wein und Sekt und liebe es.

Wie ist deine Verbindung zu Wein?
Meine Verbindung zu Wein…also meine Eltern haben mich Marie-Christine genannt, nach Methode-Champenoise1, deshalb ist das Thema Wein wahrscheinlich intravenös in meine Adern übergegangen. Ich hab die Leidenschaft von meinen Eltern übernommen und bin zwar eher später darauf gekommen, selbst Wein zu machen, aber habe 2002 angefangen in Geisenheim zu studieren. 2006 habe ich meinen Ingenieur gemacht und seitdem bin ich zuhause. Und habe viele Ideen, einen Methode Rurale2 und auf ökologische Produktion umgestellt. Ich liebe Hefen, ich liebe das Terroir3 von den einzelnen Weinen.

Welche ist deine liebste Rebsorte?
Meine liebste Rebsorte? Riesling! Ich bin ein Riesling-Kind. Wobei Weißburgunder ist auch immer schön, sehr elegant und für mich femininer. Aber Riesling hat für mich einfach so ne enorme Bandbreite. Mein Lieblingsriesling, kommt von nem sehr schweren Tonboden. Und der ist richtig opulent, voll, hat Kräuter. Man kann das gar nicht benennen, welche Frucht er wirklich hat. Aber ich mag auch sehr die Kalksteine, die Mineralik.

Mit welchen drei Worten würdest du deinen absoluten Lieblingswein beschreiben?
Sauvignon Blanc Rurale – nein! Prickelnd, fruchtig und trotzdem sehr viel Nachhall.

Wo sind wir hier?
Wir befinden uns hier in Deidesheim, in der Villa im Paradies. Hier ist das Weingut und Sektgut Motzenbäcker. In einem wunderschönen alten Park mit alten Kastanienbäumen. Alle, die das lesen, sind herzlich gerne eingeladen zum Sommerfest Ende Juni. Nebenan die wunderschönen Lagen Deidesheims, der Paradiesgarten und der Ruppertsberger Reiterpfad. Und man hat die Hardt im Westen als schützenden, natürlichen Wall. Und die Rheinebene vor sich. Also das ist die Toskana von Deutschland, würde ich sagen.

Warum ist der Keller einer der Lieblingsorte?
Ich glaube, jeder kann sich glücklich schätzen, so einen Barrique-Keller zu haben. Ich liebe auch diese neuen Betonbauten, aber so ein Keller ist einfach ein absolutes Geschenk. Sommer wie Winter haben wir die gleiche Temperatur und da lagern unsere besten Rotweine und haben Zeit. Zwei Jahre, vier Jahre – solange sie eben brauchen. Und seit 2007 auch unsere Mondeichenfässer, die wir selbst für uns haben machen und nach dem Wissen von damals nach dem ersten Vollmond einschlagen lassen. Da reifen ein Riesling und ein Chardonnay. Mondeichenweine.

Welche Bedeutung hat der Keller für dich?
Wie viel Zeit haben wir? Ich liebe den Keller. Er ist zeitlos. Man erlebt so viel Gefühl, Passion, Lebendigkeit von den Weinen. Ich begleite sie vom Traubensaft bis hin zum fertigen Wein und kenne jedes meiner Kinder. Ich weiß, welcher Wein ein bisschen Schwäche hat und probiere die Weine im Keller jeden Tag. Es sind einfach so viele Emotionen in diesem Keller. Und es ist ruhig. Man hat nicht so viele fremde Menschen. Das finde ich auch super. Und man hat viel zu trinken.

Du bist in einen Traditionsbetrieb hineingeboren und schreibst die Familiengeschichte jetzt auf deine ganz eigene Weise weiter. Wann wusstest du, dass du deine eigene Sekt- und Weinlinie machen möchtest?
Relativ spät, ich war also mehr oder weniger eine Quereinsteigerin. Aber das finde ich auch wichtig, weil man so die Weinwelt mit anderen Augen sieht. Man ist nicht so verbohrt in das, was schon immer war. Ich hab Neuseeland gesehen, ich hab Südafrika gesehen – nicht nur die Weine dort, sondern auch die Stimmung. Wie das Weinmachen angegangen wird. Und wie viel Respekt man auch gegenüber dem Weinmachen haben muss. Aber das meiste habe ich von meinen Eltern gelernt. Ein Dank hierfür! Es kommt mit der Zeit. Das ist Gefühlssache für mich, ganz viel Gefühlssache. Meine Sektlinie steht jetzt seit einem halben Jahr. Und ich bin absolut begeistert. Natürlich ist es nicht nur die Sektlinie, die steht, sondern auch die Qualität. Wir haben mit der Natur gearbeitet, das ist mir wichtig. Ich habe wirklich die besten Trauben genommen. Nach bestem Willen und vielen Dosageproben4 haben wir die Sektlinie hingestellt. Die Ausstattung passt perfekt. Ich habe extra die Flaschenform geändert, weil ich nicht mehr diesen femininen Stil haben, sondern mit wirklich bodenständigen Charakteren arbeite wollte. Und das will ich auch weiterhin ausbauen. Ja, es ist meine Passion und meine Leidenschaft, die ich fast mit in die Wiege bekommen habe.

War es schwierig, eine neue Identität für deine eigenen Weine zu schaffen?
Es ist keine neue Identität. Es ist nur eine Weiterentwicklung meiner Eltern. Ich habe die Werte meiner Eltern übernommen, mit denen ich aufgewachsen bin und ihre bereits sehr hohen Qualitätsstandards einfach weiterentwickelt, persönlicher und facettenreicher gemacht. Wieder Mehr auf die Lagen, auf die Hefen, auf alles Acht gelegt.

Wie unterscheidet sich deine Philosophie von der deiner Eltern und wo überschneiden sich Ansätze für Anbau und Ausbau?
Ich bin froh, dass meine Eltern so jung, dynamisch und für alles offen sind. Sie haben schon immer mit der Natur gearbeitet. Sie haben also eigentlich alles schon genau so gemacht, was ich hätte umstellen wollen, als ich von der Weinschule Geisenheim gekommen bin. Aber solche Sachen wie Methode Rurale und mehr Lagenweine ausbauen – das ist das, was mein Spaßfaktor ist.

Hast du Erfahrungen gemacht, die nur Frauen in deiner Position machen würden?
Ich weiß nicht, ob es die Frau ist oder die Persönlichkeit an sich. Ich weiß, dass die Trauben feinsinniger probiert werden. Es wird detailgetreuer gearbeitet, denke ich. Es wird höflich gearbeitet. Der Umgang ist vielleicht höflicher zwischen Frauen. Aber ansonsten sind wir relativ auf gleichem Level, würde ich behaupten.

Glaubst du, die Erwartungen an dich und deine Arbeit wären andere, wärst du ein Mann?
Keine Ahnung, ehrlich gesagt. Ich glaube, es kommt mehr auf die Person selbst an. Ich wurde nie als Prinzessin erzogen und die werde ich wahrscheinlich auch nie sein.

Als du zurückgekommen bist, hast du wahrscheinlich erstmal eine Zeit lang zusammen mit deinem Vater gearbeitet. Arbeitet ihr immer noch zusammen?
Genau, ich arbeite immer noch zusammen mit meinem Vater. Das ist auch ein großes Geschenk. Er mit seiner Erfahrung und ich mit meinem jugendlichen, naja, nicht mehr ganz so jugendlichen Denken. Das ist eine super Symbiose. Aber solche Sachen wie die Marie5, das ist jetzt absolut mein Baby. Ich liebe Riesling und ein bisschen Weißburgunder und ein solches Cuvée hat mein Vater nicht auch nur annähernd probiert. Weil das für ihn einfach ein No-Go ist. Das war damals nicht so, mit den Cuvées. Man kommt einfach neu dazu und ich denke schon, dass das ein frischer Wind ist.

Bist du das einzige Kind?
Ich hab noch eine ältere Schwester. Sie ist Doktor der Naturwissenschaft und ich bin sehr stolz auf sie. Wenn jemand mal die Welt verbessert, ist es meine Schwester. Sie forscht mit Algen und hat in Indien Toiletten gebaut. Sie ist auf jeden Fall auf der Umweltschiene unterwegs. Ich kann sie alles fragen über Pflanzen, Boden – sie gibt mir das Know-How von einer ganz anderen Seite. Und sie trinkt nicht so viel Wein. Das ist ganz gut. Dann bleiben die Keller voll.

Deine Eltern haben zwei Töchter bekommen. Gab es jemals die Frage: „Zwei Töchter, kein Sohn – ist da überhaupt jemand, der den Betrieb übernehmen kann?“.
Diese Frage kommt ganz viel von außerhalb. „Ach Gott, der arme Herr Menger-Krug hat nur zwei Töchter.“ – diesen Spruch kann ich schon gar nicht mehr hören. Ich hab drei Söhne. So viel dazu. Und jeder sagt: „Ach, Gott sei dank, die Traktorfahrer sind wieder da!“. Aber ich kann selbst Traktor fahren. Meine Eltern haben es mir immer offen gelassen, ob ich den Betrieb weiterführen möchte. Also totaler Schwachsinn – heutzutage!

Und woher kommt deine bereits erwähnte Faszination für Hefen?
Also die Hefen waren schon immer meine Leidenschaft. Ich hab eben auch die Möglichkeit bei uns im Betrieb, Versuche zu machen. Ich nenne es immer die Kellerspielereien. Du musst dich ausprobieren und einfach unterschiedliche Hefen benutzen, um zu gucken, wie der Wein drauf reagiert. Ich liebe die Spontangärung. Jeder gesunde Weinberg hat eine ideale Hefeflora auf den Trauben. Alle Weine in unserem Keller sind spontan angegoren. Also drei Tage auf jeden Fall spontan, bevor ich entscheide, dass… Ich mache eben sehr viel über probieren und probiere die Weine auch wirklich jeden Tag, jeden zweiten Tag. Ich finde, dass die Weinberge selbst so viel Charakter haben. So viel Individualität, dass man sie gar nicht cachieren muss mit der Frucht oder sonstigem. Bei den großen Weinen – da kommen bei mir eigentlich keine Hefen dran.

Eines deiner Herzensprojekte ist der Rurale. Erzähl uns etwas mehr dazu.
Die Methode Rurale habe ich im Studium kennengelernt – wieder zurück zu den Anfängen. Sekt entstand einfach durch einen Zufall, durch eine Nachgärung. Die Winzer hatten früher keine Möglichkeit, die Weine zu lagern oder sie mit Schwefel lagerbar zu machen. Die Hefen mögen keine Kälte. Zum Winter hin wurden die Hefen inaktiv und im Frühjahr haben sie wieder angefangen zu gären. Deswegen sind eben alle Fässer geborsten, die Flaschen zerbrochen. So ne Flasche hält 6 bar Druck aus. Ein Autoreifen 2,5. Man muss sich vorstellen, was die Gärung für eine Faszination ist. Sie haben es erst als Teufelswein bezeichnet und wussten gar nicht, was sie damit anfangen sollen. Dann haben sie es probiert und das sind die Ursprünge des Sektes und das finde ich so wunderbar. Weil die Natur so viel stärker als die Menschen ist, die in ihr wohnen. Durch einen großen Zufall dieser Welt ist der Sekt entdeckt worden. Das habe ich in Geisenheim zum ersten Mal gehört und habe dann die Qualitätsansprüche meiner Eltern damit kombiniert. Und daraus ist die Methode Rurale entstanden. Seit 2007 existiert meine erste richtige Linie – ich habe einen Riesling und einen Chardonnay. Für mich ist es einfach ein unglaubliches Getränk. Der Methode Rurale muss immer aus Weingläsern getrunken werden, weil er einfach so viele Primäraromen6 hat, so viel Traubenaroma wird eingefangen und diese zarte, feine Kohlensäure. Mit dieser wunderschönen Mousseux7. Für mich sind das wunderschöne Jahrgangssekte.

Du hast deinen Markenauftritt gerade neu gestaltet. Wie bist du vorgegangen?
Ich weiß, dass Farben mir ganz viel bedeuten. Ich beschreibe Weine immer sehr gerne mit Farben und deswegen habe ich auch glaube ich gefühlte 35 unterschiedliche Farben ausgesucht. Für jeden Sekt, jeden Wein eine andere Farbe. Ich finde, das hilft den Menschen auch am besten zu verstehen, wie meine Weine schmecken. Auch die Kapseln haben wieder die gleiche Farbe wie die Etiketten und die Agraffen8 sind jetzt gekommen. Und alles mit sehr vielen Sternen. Ich glaube, das ist wieder diese Detailverliebtheit. Dass der Abriss mit Sternen gekennzeichnet ist. Das sind einfach so Kleinigkeiten, die vielleicht nicht jeder direkt benennen kann, aber bei denen ich weiß, das muss einfach so sein. Denn meine Sekte haben es verdient, so eine schöne Ausstattung zu haben.

Und fühlst du dich voll widergespiegelt in der Gestaltung, wie sie jetzt ist?
Ja, wie gesagt, sogar die Flaschenform habe ich umgestellt. Weil sie mir einfach zu feminin, zu zart war. Und ich will Weine machen, die viel Ausdruck haben. Sehr viel Nachhall und Tiefe haben. Und ein paar Ecken und Kanten.

Vielen Dank, Marie. Wir freuen uns auf viele weitere spannende Weine und Sekte aus deinem Keller.

BEGRIFFSERKLÄRUNGEN
1 – Methode Champenoise: Klassische Methode zur Sektherstellung. Kohlensäure entsteht durch eine zweite Gärung in der Flasche.
2 – Methode Rurale: Methode zur Sektherstellung. Es findet keine zweite Gärung statt, sondern die erste Gärung wird unter Druck beendet. Entweder im Drucktank oder in der Flasche.
3 – Terroir: Ein Begriff, der in der Weinsprache ständig genutzt wird, aber nur wage definiert ist. Es hat etwas mit dem Boden zu tun, aber nicht mit dem Ackerboden alleine. Es steht mehr für den Ursprungsort mit all seinen Eigenschaften: Boden, Klima, kulturelle Weinbergspflege und für die Region typische Herstellungsprozesse.
4 – Dosageprobe: Mit dem Zugeben der Dosage (zuckerhaltige Flüssigkeit) wird bestimmt, wie viel Restsüße der Sekt am Ende hat.
5 – Marie: Frauenname und ein Cuvée aus Riesling und Weißburgunder. Gibt’s hier.
6 – Primäraromen: Die Aromen, die die Traube an sich trägt.
7 – Mousseux: Die Perlage. Also Form und Größe der Blubber im Sekt.
8 – Agraffen: Die Drahtbügel, die den Sektkorken sichern.

Maries Weine und Sekte könnt ihr ab sofort bei uns bestellen.